Die EU
Der Zusammenbruch der UdSSR und die Vereinigung Deutschlands im Jahr 1989 gaben dem wirtschaftlichen Zusammenwachsen Europas weiteren Schwung. Das deutsche Bürgertum und sein politischer Repräsentant, Helmut Kohl, hatten große Ambitionen. Die Einführung des Euro war in weiten Teilen ein Versuch Berlins auf ökonomischen Weg das zu erreichen, was Hitler mit Gewalt versucht hatte, nämlich Europa unter deutscher Vorherrschaft zu vereinigen.
Die Eurozone hat eine einzige Zentralbank, die Europäische Zentralbank (EZB) und verfügt daher über eine gemeinsame Geldpolitik, die weder in Berlin noch in Athen beheimatet ist. In Wirklichkeit jedoch wurde das ganze Projekt vom deutschen Kapital beherrscht. Deutschland profitierte zunächst vom freien Zugang zu anderen europäischen Märkten und die anderen Länder profitierten vom Zugang zu einer anscheinend unbegrenzten Bereitstellung von Kapital, Investitionen, Darlehen, Zuwendungen und Krediten. Alles sah scheinbar bestens aus in der besten aller kapitalistischen Welten.
In der Absicht, Berlin dahingehend zu überzeugen, eine gemeinsame Währung mit dem übrigen Europa zu teilen, wurde vereinbart, dass die Eurozone nach dem Vorbild der Deutschen Bundesbank (autonome Zentralbank der Bundesrepublik Deutschland 1958-1993, seitdem weisungsabhängige Zentralbank innerhalb des Eurosystems, d. Red.) gebildet werden sollte. Als Beitritts-Bedingung zur Eurozone musste jedes Land in die rigorosen „Konvergenzkriterien“ einwilligen. Diese waren daraufhin angelegt, die Wirtschaft der EU-Mitgliedstaaten mit derjenigen Deutschlands zu synchronisieren. Diese Kriterien beinhalteten eine Obergrenze von weniger als drei Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die jährliche Erhöhung des Haushaltsdefizits. Die Gesamtverschuldung der Staatshaushalte sollte 60% des BIP nicht übersteigen. Die Jahresinflationsrate konnte nicht höher als 1,5 Prozentpunkte über dem Durchschnitt der drei Länder mit den niedrigsten Jahresinflationsraten liegen. Nun liegen alle diese Pläne in Schutt und Asche. Es ist, wie wir bereits vor zehn Jahren vorhergesagt haben, unmöglich, Konvergenzkriterien für Volkswirtschaften zu erfüllen, die sich in unterschiedliche Richtungen bewegen. Griechenlands Versagen dahingehend, mit dem Wachstum und dem Stabilitätspakt konform zu gehen, ist nur der offenkundigste Fall. Die Wahrheit ist, dass von Beginn an kein Mitgliedstaat der Eurozone – Frankreich und Deutschland eingeschlossen – mit den Konvergenz-Regeln in Einklang gewesen ist.
Nun haben sich große Risse aufgetan, die drohen, die ganze künstliche Konstruktion zum Einsturz zu bringen und alle Träume von einem kapitalistisch vereinigten Europa zu Grabe tragen zu müssen. Sarkozy (der französische Staatspräsident, d. Red.) hat bereits damit gedroht, Frankreich aus der gemeinsamen Währung zurückzuziehen, wenn Deutschland den Transferzahlungen an Griechenland nicht zustimmen sollte. Große Banken in Frankreich und Deutschland würden zerstört werden, wenn Griechenland oder Portugal ihren Verpflichtungen nicht nachkämen, da sie diesen Ländern viel Geld geliehen haben.
Wird sich die Eurozone auflösen?
Das Problem mit dem Euro besteht darin, dass es seine Zielsetzung ist, Volkswirtschaften auf einen Nenner zu bringen, die in verschiedene Richtungen driften. Die europäische Bourgeoisie versucht mit aller Kraft die Währungsunion zusammenzuhalten. Sie handeln gemäß dem alten Gaunerspruch: Entweder drehen wir das Ding zusammen, oder jeder von uns wird gehängt werden. Dennoch hat die Krise die grundlegenden Bruchlinien zu Tage gefördert, an denen die Eurozone droht auseinander zu brechen und sie setzt sogar ein Fragezeichen über die Europäische Union selbst. Die Auseinandersetzungen nehmen permanent zu.
Als die Eurozone vor zehn Jahren ins Leben gerufen wurde, wurde dieses auf der Grundlage der Einführung zentraler Regeln für die Begrenzung von Staatsschulden und der Anlehnung von staatlichen Rettungspaketen getan. Doch es war niemals wahrscheinlich, dass die Regeln, die grundsätzlich hohe Strafgelder für exzessive staatliche Verschuldung beinhaltet haben, eingehalten werden würden und tatsächlich missachteten Frankreich und Deutschland diese Regeln sogleich. Die Finanzmärkte nahmen an, dass kein Land der Eurozone jemals zusammenbrechen würde. Sie gingen davon aus, dass die EZB gefährdete Länder immer retten würde. Inzwischen kann, trotz des Rettungspakets für Griechenland, diese Annahme nicht länger als sicher gelten.
Zurzeit hat Deutschland einem Rettungspaket für Griechenland zugestimmt. Dennoch gibt es ernsthafte Zerwürfnisse in Deutschland. Wenn sich die Krise und damit diese Spannungen vertiefen sollten, so kann dieses möglicherweise dazu führen, dass Deutschland die Eurozone ganz verlässt. In Deutschland gewinnt zunehmend die Vorstellung an Boden, dass Griechenland und die anderen schwächeren Volkswirtschaften der Eurozone aus der Währungsunion ausgeschlossen werden sollten, sofern diese ihre Schulden nicht zurückzahlen werden. Einmal schien es sogar so, als sei Kanzlerin Merkel selbst Vertreterin dieser Idee.
Deshalb kann nicht ausgeschlossen werden, dass die gegenwärtige Krise mit der „Wiederbegründung“ der Eurozone, entweder durch den Ausschluss Griechenlands oder durch den Rückzug Deutschlands aus ihr enden wird. Die letztgenannte Variante würde das endgültig „Aus“ des Experiments bedeuten. Dieses würde die Weltwährungsmärkte in eine tiefe Krise treiben und die schwäche Erholung der Wirtschaft beenden.
Wenn Griechenland aus der Eurozone ausgeschlossen werden würde, so könnte dessen Zentralbank Geld drucken, um die Staatsschulden an den Kreditmärkten vorbei zu finanzieren. Griechenland würde dann ebenso in die Lage versetzt werden seine Währung abzuwerten, was die Auslandsnachfrage nach für griechische Produkte beleben und das Wirtschaftswachstum ankurbeln würde. Die Alternative hierzu besteht darin, sich in einen schmerzhaften Rückgang der Kaufkraft im Land selbst, verursacht durch eine vom Internationalen Währungsfonds (IWF) und von der EU verlangte Sparpolitik zu flüchten.
Das Problem ist nur, dass niemand diese neue Währung haben will, dieses insbesondere deshalb nicht, weil jedermann klar wäre, dass die Regierung sie nur einführen würde, um sie abwerten zu können. Dieses hätte zur Folge, dass die Drachme (Name der griechischen Währung vor Beitritt des Landes zur Währungsunion, d. Red.) nur innerhalb Griechenlands und auch dort nicht überall akzeptiert werden würde. Dieses würde sofort zum Entstehen von Schwarzmärkten führen, welche mit Gewalt bekämpft werden müssten. Die Kosten eines Austritts aus der Währungsunion wären daher unerschwinglich hoch.
Wie kann die gegenwärtige Krise beendet werden? Eigentlich ist der Ausschluss von Staaten aus der Währungsunion auf gesetzlicher Grundlage nicht möglich. In jedem Fall werden alle 27 EU-Mitgliedsstaaten einem solchen Verfahren zustimmen müssen, womit sich die Frage aufdrängt, warum Griechenland seinem eigenen Ausschluss zustimmen sollte. Auch wenn das irgendwie eingefädelt werden könnte, so ist klar, dass Portugal, Spanien und Irland nicht geneigt sein dürften einer Maßnahme zuzustimmen, welche einen Präzedenzfall für ihren eigenen Ausschluss in nicht allzu ferner Zukunft schaffen würde.
Gewiss sitzen sehr kluge Leute in Brüssel, deren kreative Kräfte sie zweifelsfrei dazu befähigen über irgendeine Art einer bürokratischen Lösung nachzudenken, welche die Regeln außer Kraft setzen würde, um es der EU erlauben zu können Mitgliedsstaaten zu verstoßen, ohne die bestehenden Verträge formell zu brechen. Sie könnten z.B. eine neue EU mit einer neuen, „starken“ Eurozone starten. Solch ein Schritt würde zwar das Problem aus der Welt schaffen, jedoch nur um den Preis der Schaffung neuer Widersprüche. Deutschland würde seine Macht stark ausbauen und das ist nichts, worüber der Rest Europas begeistert sein würde. In einer neuen Eurozone, bestehend aus, sagen wir, Frankreich, Deutschland und den Beneluxstaaten, würde Deutschlands Wirtschaft 45,6% der Gesamtproduktion erwirtschaften. In der gegenwärtigen Eurozone beträgt dieser Wert nur 26,8%. Weiterhin ist absehbar, dass die ausgeschlossenen Staaten Rache üben werden, indem sie ihre Staatsschulden einfach nicht zurückzahlen. Dieses würde verheerende Auswirkungen auf die neue Eurozone mit sich bringen.
Parasitärer Kapitalismus
Die Bourgeoisie hat schon vor langer Zeit jedes Interesse an produktiver Aktivität und produktiven Investitionen verloren. Sie strebt danach Geld aus Geld zu machen, ohne sich noch mit dem schmerzhaften und riskanten Produktionsprozess herumschlagen zu müssen. Von einigen Ausnahmen abgesehen, wie z.B. China, wo große Profite durch die Ausbeutung eines gewaltigen ländlichen Arbeitskräftepotentials erwirtschaftet werden können, ist die Bourgeoisie dazu übergegangen, sich auf den sogenannten Dienstleistungssektor und hier insbesondere auf die Finanzmärkte zu stützen. Hierin liegt auch der Grund, warum sie die Krise immer als eine Krise des Kredits darstellen.
Dieses ist eine gänzlich undurchsichtige Art und Weise an die Frage herzugehen. Der Kredit kann niemals eine unabhängige Rolle in der Wirtschaft spielen. Er ist lediglich ein Mittel, das dazu dient, die Nachfrage über ihre gegebenen Grenzen hinaus auszudehnen, dieses gilt ebenso für den Konsum der privaten Haushalte, wie für den Kauf von Maschinen, Rohstoffen und Arbeitskraft durch die Kapitalisten selbst. Der eindeutig parasitäre Charakter des modernen Kapitalismus wird in der Tatsache sichtbar, dass, während die Banken große Schulden anhäufen, der Staat dazu übergeht, diese mit großen Mengen Geld zu überschütten. Die Banker sagen „vielen Dank“ und horten das so geschenkte Geld oder sie schmeißen es in ein schwarzes Loch, von dem niemand weiß wie tief es ist und wohin es führt, was es ihnen ermöglicht sich selbst weiterhin großzügig gestaltete Boni auszuzahlen.
Es gibt kein Anzeichen dafür, dass all die ganzen Staatsgelder in die Banken irgendeinen ernsthaften Effekt auf die Realwirtschaft haben. Die wirtschaftliche Aktivität verharrt auf einem sehr niedrigen Level und die Arbeitslosigkeit bleibt konstant hoch. Der gesellschaftliche Gewinn dieser staatlichen Ausgaben ist sehr gering. Der Grund hierfür ist nicht schwer zu erklären. Angesichts der hohen weltweiten Produktionsüberschüsse gibt es nur sehr wenige oder gar keine Anreize für die Kapitalisten große Summen Geld für produktive Investitionen auszugeben. In der Autoindustrie z.B. gibt einen weltweiten Produktionsüberschuss von einem Drittel. Warum sollten Ford oder GM neue Betriebsstätten aufbauen, wenn sie bereits jetzt zu viele Standorte am Bein und dabei zu wenig zahlende Kunden bei der Hand haben? „Die Banken müssen gerettet werden“, das ist alles was gesagt werden muss, damit die Politiker für diese sofort mit ungedeckten Checks in die Bresche springen. Dabei beeilen sich die sozialdemokratischen Politiker schneller als irgendwer sonst. Nachdem sie die „Banken gerettet“ haben (was meint, dass die Banker gerettet worden sind), setzen die Politiker die Öffentlichkeit betrübt davon in Kenntnis, dass sie tatsächlich nie das Geld dafür besaßen, um die Banken auszubezahlen. Wir mussten es uns, so sagen sie, im Namen des Volkes leihen und nun müssen die Steuerzahler die ganze Aktion bezahlen: Es ist Zeit Opfer zu bringen!
Sobald die Banken die Staatskohle eingesackt haben, beginnen die Märkte bzw. die Banker zu schimpfen:“ Schaut her! Das Niveau der Staatsverschuldung ist nicht nachhaltig! Das muss umgehend beendet werden!“ Inmitten dieses unseligen Gequatsches stellt niemand die ganz einfache Frage danach, warum es eine so hohe Staatsverschuldung gibt. Niemand fragt, wo das ganze Geld hingekommen ist. An dieser Stelle betreten wir das geheimnisvolle Gebiet der Bankgeheimnisse, die genauso absolut gelten wie das Beichtgeheimnis in der Kirche.
Was bedeutet die „Kreditklemme“?
Solange die kapitalistische Weltwirtschaft wuchs, boomten die Märkte, stiegen die Profite und es war leicht an Kredite zu kommen. Niemand schaute allzu genau auf die Bilanzen der Unternehmen, Banken oder Staaten. Jeder genoss den fröhlichen Karneval der Kohlemachgesellschaft. Motto: Die Aktienkurse schießen in Höhen, die jeden Bezug zu den Vorgängen in der Realwirtschaft verloren haben? Lasst sie steigen! Die Banken verleihen Geld, das sie gar nicht haben? Lasst sie damit weitermachen! Der griechische Staat will eine oder zwei Milliarden an Kredit aufnehmen? Gebt sie ihm!
Wenn der Tag der Abrechnung kommt (und er kommt immer), verändert sich augenblicklich die Haltung der Bourgeoisie. Nun will niemand mehr Geld verleihen. Ganz im Gegenteil fordern sie alle nun ihr Geld zurück. An die Stelle eines vormals freundlichen Haltung der Freigiebigkeit tritt eine Haltung bzw. eine um sich greifende Mentalität gleich eines Geizhalses, der habgierig seine Beute hortet und diese eifersüchtig bewacht, so dass niemand sehen kann, wie viel Besitz er sich unter den Nagel gerissen hat. Horten war ein typisches Kennzeichen des primitiven Kapitalismus in seinen frühen Entwicklungsphasen. Während einer Krise hat es den Anschein, als kehrte die Bourgeoisie, gleich einem Menschen im Zustand der Altersdemenz zu einer Art zweiten Kindheit, zu ihren Anfängen zurück.
Nun akzeptiert niemand mehr Zahlungsversprechen. Man will keine Versprechungen welcher Art auch immer mehr annehmen, weil man anderen Leuten nicht länger mehr traut, nicht den Gläubigern, nicht den Banken, nicht den Regierungen. Man akzeptiert nur noch Handfestes. Man will Bares auf die Hand. Und man will es sofort haben. Diese Art von Geiz nimmt keine Rücksicht auf die tatsächlichen Probleme mit denen Familien, Unternehmen und Regierungen konfrontiert sind. Du hast nicht genug zu essen? Dann hungere, aber zahle mir zurück was Du mir schuldest. Dein Unternehmen wird schließen müssen und Hunderte werden arbeitslos werden? Dann mach‘ den Laden zu und sei verdammt, aber zahle! Wenn diese unumschränkte Herrschaft des Kapitals in Hinsicht auf Personen und Unternehmen angemessen ist, warum sollte es sich mit so einem Nationalstaat anders verhalten? Es ist das Business des Kapitals Geld zu machen. Demgegenüber ist es nicht von Interesse welche Probleme aus dieser Kohlemachaktivität heraus auch immer erwachsen mögen.
Marx beschreibt den Hang zum Horten während Krisenzeiten im „Kapital“ folgendermaßen: „Länder, in denen die kapitalistische Produktionsweise bis zu einem gewissen Grad entwickelt ist, begrenzen die Geldvorräte, die in den Tresoren der Banken lagern, auf das Minimum, das für die angemessene Erfüllung ihrer eigentlichen Funktionen benötigt wird. Immer, wenn diese Geldvorräte auffällig über ihrem durchschnittlichen Niveau liegen, handelt es sich hierbei, von Ausnahmen abgesehen, um ein Anzeichen für eine Stagnation in der Warenzirkulation bzw. um eine Unterbrechung ihrer stetigen Metamorphose.“ (Karl Marx: Das Kapital, Übersetzung aus dem Englischen: Die Red.) Die Funktion des Goldes
Banknoten stellen nur ein Wertversprechen dar. Dieses wurde in der Vergangenheit durch Gold und Silber gedeckt. Im Zeitalter des kapitalistischen Niedergangs stellte sich die Bourgeoisie vor, dass das Geld auch ohne Golddeckung funktionieren könnte. Die bürgerlichen Ökonomen redeten über die „Entgeldlichung des Goldes“. Das ist kompletter Unfug. Gold ist eine Ware und hat, wie alle anderen Waren auch, einen objektiven Wert, der durch die Menge an gesellschaftlich notwendiger Arbeit bedingt ist, die für seine Förderung und Verarbeitung aufgewendet wird. Sein Warenwert ist hoch, weil es verhältnismäßig selten vorkommt und weil mit der Suche nach ihm und mit der Ausbeutung seiner natürlichen Vorkommen hohe Kosten verbunden sind. Wie auch immer, Gold hat sich im Laufe der Geschichte zur „Ware der Waren“ entwickelt – jene Ware, durch die alle anderen Güter ihre Werte ausdrücken, das ist das Geld. Es dient als Standardpreis und ebenso als universeller Maßstab der Werte, das, um in Marx‘ Worten zu sprechen, allgemein tauschbare Gut par excellence. Im Jahr 1944 wurde durch das Bretton-Woods-Abkommen - welches das internationale Währungssystem schuf, das vom Ende des Zweiten Weltkriegs bis in die frühen 1970er Jahre existierte – der US-Dollar als das Mittel des Welthandels etabliert. Dennoch waren nationale Währungen weiterhin durch Gold, zu einem Wert festgesetzt in US-Dollar, gedeckt.
Zu dieser Zeit waren die USA in der Lage, dem Rest der Welt ihre Bedingungen zu diktieren. Nach dem Zweiten Weltkrieg war der Produktionsapparat der USA intakt, während Europa und Japan zerstört waren. Zwei Drittel der weltweit vorhandenen Goldvorräte lagerten in Fort Knox. Daher war der US-Dollar „so gold wie Gold“. Als die USA den Goldstandard 1971 ablegte, beerdigte Washington das Bretten-Woods-Abkommen, das Währungseinheiten an das Gold banden. Damit war es Währungen nun gestattet, sich frei zu entwickeln. Während der US-Dollar weiterhin als die Leitwährung der Weltwirtschaft angesehen wurde, begann sich die D-Mark als eine starke Konkurrenz in Hinsicht auf die Erfüllung dieser Funktion zu entwickeln. Die Banknoten, die heutzutage überall auf der Welt in Gebrauch sind, sind nicht mehr durch das Gold gedeckt. Daher besitzen sie keinen anderen Wert mehr als den, dass eine politische Entscheidung sie zum gesetzlichen Zahlungsmittel aller wirtschaftlichen Aktivitäten in einem definierten Währungsgebiet bestimmt hat. Die Weigerung Banknoten zu akzeptieren ist, innerhalb bestimmter Grenzen, eine gesetzlich strafbare Handlung. Diese bedeutet auch, dass die Regierungen willens und fähig dazu sein müssen, die Währungen als gesetzliches Mittel der Begleichung von Schulden durchzusetzen. Was jedoch geschieht, wenn eine Regierung selbst ein solches Verschuldungsniveau erreicht hat, dass sie unfähig dazu geworden ist ihren Schuldendienst zu erfüllen?
Mit der Aufgabe der Golddeckung schuf die Bourgeoisie die Bedingungen für die Austragung der Konkurrenz über das Mittel der Währungspolitik und der Belastung anderer Nationen (insbesondere durch den Export von Arbeitslosigkeit, d. Red.) mittels Währungsabwertung. Dieses Vorgehen war schon einer der Hauptfaktoren, welche die Krise von 1929 in die Große Depression der 1930er-Jahre verwandelt haben. In den letzten Jahren waren die US-Behörden befriedigt darüber zu sehen, dass der Wert des US-Dollars gegenüber dem Euro und anderen Währungen abgerutscht ist, denn so können die USA ihre Exporterlöse gegenüber dem Rest der Welt steigern. Eine unter den intellektuell beschränkteren Politikerinnen und Politikern glaubten allerdings tatsächlich den Unfug mancher bürgerlicher Ökonomen über die „Entgeldlichung des Goldes“. Dem entsprechend hat Gordon Brown zwischen 1999 und 2002 Britanniens beträchtliche Goldreserven verkauft und als Resultat dieser Politik hat er magere vier Milliarden Pfund für eine Ware, die heute mehr als 15 Millionen Pfund wert wäre erhalten. Dieses kleine Detail offenbart in einem den intellektuellen Bankrott der bürgerlichen politischen Ökonomen und der reformistischen Politiker, welche, in dieser Hinsicht, unmittelbar zur nationalen Verschuldung beigetragen haben.
Die Flucht in das Gold
Während die Kreditwürdigkeit von Griechenland, Spanien und Portugal sinkt, springt der Goldpreis viel schneller in die Höhe als der Weltmarktpreis der meisten anderen Waren und Rohstoffe. Ein solcher Effekt ergibt sich immer in einer Krise, wenn die Kapitalisten einen sicheren Hafen suchen, der sie vor dem Sturm schützen soll. In unsicheren Zeiten verlieren die Zocker von gestern plötzlich die Lust auf riskante Geschäfte. Die sturen Finanzjongleure sind plötzlich nicht mehr auf Papiergeld oder irgendwelche Zusagen und Versprechungen von Privatpersonen, Bankiers oder griechischen Ministerpräsidenten aus. Ihnen geht es nur um eine reale Sache: Geld in der Hand, also Gold.
Überlassen wir die Vorlesungen über die Außerkurssetzung des Goldes den Akademikern mit ihren langen akademischen Titeln. Die wirklichen Herren über die Wirtschaft werden von solchen Vorlesungen unbeeindruckt sein, denn diese bestärken sie nur in ihrer instinktiven Überzeugung, dass die Akademiker in den Hochschulen am wenigsten Ahnung von der Gesellschaft haben. Stattdessen wiederholen sie die Worte Shakespeares in “Timon von Athen”: “Gold, gelbes, glitzerndes, wertvolles Gold? Nein, Götter, ich habe Euch nicht leichtfertig angerufen! Ich will nur Wurzeln, ihr reinen Himmel! Diese Handvoll wird schwarz weiß machen, häßlich schön, unrecht recht, nieder edel, alt jung und feige tapfer. Ihr Götter, warum dies? Was soll dies, ihr Götter? Bedenkt, dies wird Eure Priester und Diener von Eurer Seite locken, den Gesunden die Kissen unter den Köpfen wegziehen! Dieser gelbe Schurke wird heilige Bande lösen und binden, wird die Verfluchten segnen, die weiße Lepra anbetungswürdig machen, wird Diebe in hohe Ämter bringen und ihnen Adelstitel, Kniefälle und Anerkennung neben den Senatoren auf der Ratsbank verschaffen. Das ist das Mittel, das die durchgerittene Witwe wieder heiraten lässt; die, bei deren Anblick das Siechenhaus und die eitrigen Wunden sich übergeben würden; das salbt sie ein und parfümiert sie wieder auf, zu neuem Frühling. Komm, verdammte Erde, du Hure der ganzen Menschheit, die Streit sät unter die Horde der Völker, ich will dich deiner wirklichen Bestimmung zuführen."
Die Kapitalisten sind jetzt gierig auf Gold und hoffen, dass sein Glanz den ökonomischen Gesetzmäßigkeiten trotzt und es ihr Vermögen zusammenhält, bis bessere Zeiten kommen. Tatsächlich haben schon lange vor der Krise von 2007 viele Finanzspekulanten Papiergeld abgestoßen und sich Goldbarren zugelegt. Bald darauf folgten andere kluge Käufer. Wie immer weisen die Großinvestoren den Weg. Ihnen folgt dann Otto Normalverbraucher. Dieser Sog treibt den Goldpreis in astronomische Höhen.
So zeigten sich Goldraffinerien in Südafrika überwältigt von der riesigen Nachfrage nach Krügerrand-Goldmünzen aus Deutschland. Dies deutet darauf hin, dass Otto Normalverbraucher Gold kauft und nicht nur professionelle Investoren. In Deutschland sind die Erinnerungen an die Hyperinflation im Jahre 1923 immer noch allgegenwärtig. Die österreichische Nationalbank meldete den Ausverkauf ihrer Goldbestände, während der Goldpreis gleichzeitig erstmals die Marke von € 1,000 pro Unze Feingold überstieg.
Die “Spekulanten” (d.h. Kapitalisten) haben kein Vertrauen in die Stabilität des Euro und noch weniger Vertrauen in das britische Pfund. In letzter Zeit ist der Dollarkurs gestiegen, aber dies ist eher ein Anzeichen von Verzweiflung und Schwäche der anderen Währungen. Diese Stärke des Dollar stützt sich sicherlich nicht auf eine vermeintliche Stärke der US-Wirtschaft oder den Zustand ihrer Staatsfinanzen. Unter derartigen Bedingungen ist eine massenhafte Flucht aus dem Papiergeld hin zum Gold oder anderen Waren, deren Wert stabil bleibt oder steigt, zwangsläufig. Genau dies erleben wir jetzt.
Deutschland
Die europäische Bourgeoisie blickt mit Furcht in die Zukunft. Sie muss vorsichtig sein, weil sie in einem Minenfeld umher wandert. Mit jedem Schritt vorwärts müssen die Bourgeoisie und ihre politischen Vertreter permanent über ihre Schultern schauen, um im Auge behalten zu können, wie die Arbeiterklasse darauf reagiert. Das ist ihr Hauptproblem. Nach Jahrzehnten des Wachstums wird es die Arbeiterklasse nicht kampflos hinnehmen, wenn ihr Lebensstandard abgesenkt werden soll. Das gilt ebenso für Deutschland wie für Griechenland.
Kanzlerin Merkel lernte ihre Lektion, als sie am 9. Mai 2010 den bisher größten politischen Rückschlag in den mehr als fünf Jahren ihrer Amtszeit erlitt. Am gleichen Abend, als sich die Finanzminister der EU-Mitgliedsstaaten in Brüssel trafen, um die Stabilität des Euro zu verteidigen, fegten die Wählerinnen und Wähler in Nordrhein-Westfalen (NRW), Deutschlands bevölkerungsreichstem Bundesland, Merkels dortige Koalitionsfreunde aus dem Amt. Die Wählerinnen und Wähler wählten eine konservativ-liberale Regierungskoalition, deckungsgleich mit der nationalen Regierungskoalition, ab.
Frau Merkel machte dafür keinesfalls die Euro-Krise verantwortlich, aber als diese auf die Tagesordnung kam, verzögerte sie die Einleitung von Gegenmaßnahmen. Einerseits wollte sie weiteren Druck auf Griechenland, und ebenso auf Spanien, Italien und Portugal ausüben lassen, damit diese Staaten harte Sparpakete zur Sanierung der Staatsfinanzen durchführen. Andererseits hoffte sie, dass die Geldtransfers der reicheren EU-Staaten an Griechenland und andere finanziell klamme Staaten der Eurozone erst nach der NRW-Wahl beschlossen würden. Die Verzögerung der Entscheidungsfindung jedoch ließ die Dinge für Frau Merkel nur noch schlechter werden. Ihre Niederlage in NRW entzog der von Frau Merkel geführten Bundesregierung die Mehrheit im Bundesrat. Der Bundesrat ist die im nationalen Gesetzgebungsprozess neben dem nationalen Parlament, dem Bundestag, entscheidende Länderkammer als Vertretung der Exekutiven der Bundesländer. Nun also muss die Bundesregierung mit der Opposition zusammenarbeiten, um die meisten Sparmaßnahmen in Kraft setzen zu können.
Die Wirtschaftskrise verursacht Spaltungen an der Staatsspitze, die früher oder später zu offenen Konflikten in der Regierung führen müssen. Dieser Druck wird wachsen. Jede Politikerin bzw. jeder Politiker ist im Grundsatz für den Abbau von Staatsdefiziten, aber praktisch sieht es anders aus. Frau Merkel stellt sich gerade als Wächterin der ökonomischen Stabilität dar. Doch wer wird entscheiden, wo die Axt angelegt wird? Manche Politikerinnen und Politiker erwägen Einsparungen im Bereich der Erziehung und Betreuung von Kindern. Das Gesundheitswesen ist ein weiterer Kandidat für die Durchführung sogenannter „Reformen“, also fürs Axt angelegen. Die Krise der Bourgeoisie zeigt sich in deren widersprüchlichen Anweisungen an Frau Merkel: „Sei mutig“, wird sie angewiesen, „aber stoße die Wählerinnen und Wähler nicht vor den Kopf“. Darüber, wie dieses Wunderwerk bewältigt werden soll, werden wir nicht unterrichtet.
Die Bourgeoisie ist, nicht nur in Deutschland, sondern in ganz Europa, mit einem Dilemma konfrontiert. Die Ernsthaftigkeit der Wirtschaftskrise bedeutet, dass sie den Arbeitern und der Mittelklasse tiefe Einschnitte zufügen muss, wobei ihre Position durch die sozialen und politischen Folgen dieses Vorgehens vollständig untergraben werden wird. Die Lösung dieses Dilemmas ist nur wenig schwerer zu bewerkstelligen als die Quadratur des Kreises. Jeder Versuch, das ökonomische Gleichgewicht wiederherzustellen, wird das soziale und politische Gleichgewicht zerstören. Die deutsche Bourgeoisie ist verärgert über die Transferzahlungen an Griechenland, ängstlich bezüglich der Stabilität des Euro und zunehmend weniger gewillt dazu, Deutschlands Interessen mit denen Europas gleichzusetzen. Diese Sprache ist meilenweit entfernt von den großspurigen Reden Helmut Kohls (Bundeskanzler 1982-1998, CDU, d. Red.) über die Europäische Einigung und Deutschlands Rolle im Zentrum dieses Prozesses.
Die Weltwirtschaft
Die sich auftürmende Krise ähnelt sehr der letzten Krise – mit den Finanzmärkten und den Banken im Besonderen in ihrem Zentrum. Diese Tatsache widerspiegelt das schwere Krankheitsbild, welches den Kapitalismus im Zeitalter seines altersschwachen Niedergangs kennzeichnet. Was uns zurzeit als Finanzkrise aufgetischt wird, wird sich zu einer zeitlich weit gestreckten wirtschaftlichen und politischen Krise entwickeln, die jedes Land in Europa erfassen wird.
Die Analysten der Deutschen Bank haben ihre Kunden davor gewarnt, dass, wenn das gigantische EU-Rettungspaket für Griechenland sein Ziel, die Märkte zu beruhigen verfehlt, das Bruttoinlandsprodukt der USA in den nächsten Jahren um 0,5 bis 1,0 Prozent verringert werden könnte. „Wenn das Rettungspaket insgesamt nicht greifen sollte, dann sehen wir einer wahrscheinlich sehr viel negativeren Lage mit der klaren Möglichkeit einer zweifachen Rezession entgegen.“
Dieses würde ernsthafte Auswirkungen auf die ganze Welt nach sich ziehen. Die wirtschaftliche Erholung weist einen sehr zerbrechlichen Charakter auf und könnte von Ereignissen, die in einer kleinen Ecke Europas beginnen, ganz aus dem Gleis geraten. Die Börsen der Welt haben bereits einer kaum verborgenen Panik Rechnung getragen. Angesehene Kommentatoren haben bereits damit begonnen unheilvoll über eine weitere große Rezession zu sprechen.
Die US-Kapitalisten hofften, dass sie ihre Exporte nach Europa dramatisch ausweiten könnten. Doch die starke Abwertung des Euro (ein Euro = ca. $ 1,25 im Mai 2010, gegenüber ca. $ 1,50 im November 2009) lässt amerikanische Waren gegenüber solchen aus Europa teurer werden. Die US-Wirtschaft wird von einer neuen Bankenkrise und auch von einem Rückgang ihrer Exporte nach Europa schwer getroffen werden. Es würde schwerer werden, sich Geld zu leihen oder Investoren zu finden. In einer Krise hören die Banken damit auf einander Geld zu leihen und beginnen damit, weniger Kredite zu vergeben, womit sie eine das gesamte Finanzwesen durchziehende Kettenreaktion entfachen. Die Bankensysteme Europas und der USA sind eng miteinander verflochten und das Schicksal europäischer muss daher ernsthafte Auswirkungen auf die USA mit sich bringen.
Daniel Tarullo, Mitglied FED-Vorstandes (Vorstand der US-Zentralbank, d. Red.) hat vor kurzem davor gewarnt, dass eine Wiederholung der Krise des Jahres 2008, welche einen Beinahe-Kollaps des US-Finanzsektors hervorgebracht hat, dann durchaus wahr werden könnte. Ende Mai 2010 berichtete er gegenüber dem US-Kongress, dass die Banken gerade durch Krämpfe hindurchgehen würden, die „Erinnerungen an die Entwicklungen während der jüngsten globalen Finanzkrise zurückkommen“ ließen. Die Abwertung der gemeinsamen europäischen Währung lässt es ebenfalls weniger wahrscheinlich werden, dass China der Forderung der USA, die chinesische Währung aufzuwerten, damit US-Produkte konkurrenzfähiger exportiert werden können, nachkommen wird.
Teil I TeilII
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