Kategorie: Theorie |
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Wer wir sind: Standortbestimmung |
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Eine politische Standortbestimmung: Internationaler Einsatz für marxistische Ideen Vor zehn Jahren – im April 1992 – wurde der "Socialist Appeal" als marxistische Zeitschrift in der britischen Arbeiterbewegung gegründet. Von Anfang an hat die Redaktion des Funken eng mit der Redaktion des Socialist Appeal und der Internetseite www.marxist.com zusammengearbeitet, weil wir die gleichen Ideen und Perspektiven vertreten. Nachfolgend Auszüge aus einem Artikel von Alan Woods zum 10. Jahrestag des Socialist Appeal. |
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Der Marxismus: Alles andere als "graue Theorie"
In Kürze feiern wir nicht nur die einhundertste Ausgabe des Appeal, sondern blicken auch auf zehn Jahre unermüdliche Arbeit zurück, die der weltweiten Verbreitung und Verteidigung des marxistischen Gedankenguts gewidmet ist. Zusätzlich zu unserer Zeitschrift war und ist die Website marxist.com ein absoluter Glücksgriff für die Verbreitung unserer Positionen und die Produktion theoretischer Artikel, Broschüren und Bücher. Marxist.com ist mittlerweile weltweit ein Begriff für sachliche Analysen und die internationale Solidarität der Arbeiterbewegung, was durch die hohe Zahl der Besuche eindeutig belegt wird: Unsere Ideen konnten inzwischen auch weit über die Grenzen Europas hinaus Fuß fassen – so in Indonesien, der Türkei, Russland, dem Balkan und Nordamerika.
"Socialist Appeal" wurde unter schwierigsten Bedingungen ins Leben gerufen. Nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion dachten viele, der Sozialismus stehe endgültig nicht mehr auf der Tagesordnung. Die herrschende Klasse befand sich im Freudentaumel. Man sprach vom Ende des Kommunismus, dem Abschied des Sozialismus, sogar vom Ende der Geschichte. Die Chefideologen der Bourgeoisie, des rechten Flügels der Labour Party und der Gewerkschaften riefen den "Tod des Marxismus" aus: Die "rote Gefahr aus dem Osten" war gebannt, und das kapitalistische System, die Ökonomie des "freien" Marktes, wurde rasch zur globalen Maxime. Die herrschende Klasse war zufrieden. Aber die Zeiten haben sich seitdem geändert. Die Euphorie über die "Markt-Ökonomie" war nur von kurzer Dauer, die Lage hat sich komplett gewandelt. Die Träume der Marktstrategen von unendlichem Wachstum und Segnungen eines totalen Markts liegen in Asche. Deren Blick in die Zukunft ist nun geprägt von Pessimismus und dunklen Vorahnungen.
Die Krise des Kapitalismus
Der Marxismus erklärt die entscheidende Rolle der Entwicklung der Produktivkräfte für den Prozess der Menschheitsgeschichte. Im Laufe des letzten Booms investierte die Bourgeoise der USA und aller anderen kapitalistischen Länder immense Summen in neue Technologien, neue Betriebsanlagen und Maschinen – eine Situation, die freilich auch Auswirkungen auf die Psyche der Arbeiterklasse hatte. Die Ökonomen der herrschenden Klasse sprachen vom "neuen ökonomischen Paradigma": Man war der festen Überzeugung, der Kapitalismus trete nun in eine Phase immerwährenden Wohlstands ein, und neue periodische Krisen des Systems seien überwunden. Die Mittelklassen (auch die Bürokratie der Arbeiterorganisationen) folgten dieser Marschrichtung. So sah auch die Arbeiterklasse keine Alternativen und suchte ihre Probleme individuell zu lösen. Ungeachtet der extremen Belastungen in Form von Überstunden, Streß, Erschöpfung, Verschuldung u.ä., war es vielen Arbeitern für eine begrenzte Zeit möglich, eine relative Verbesserung ihres Lebensstandards zu erreichen. So wurden die marxistischen Kräfte isoliert und besonders die rechte Variante des Reformismus (Blair & Co.) gestärkt. Jetzt sehen wir wieder zunehmend die Kehrseite dieses Prozesses. Die Produktivkräfte lehnen sich in der aktuellen globalen Krise gegen die Zwangsjacke des kapitalistischen Privateigentums und des Nationalstaats auf. Bürgerliche Ökonomen können die Realität nicht länger verschweigen und müssen zugeben, daß sich die USA in der Rezession befinden. Die weltweite Lage ist durch zunehmende Instabilität auf allen Ebenen gekennzeichnet. In bürgerlichen Medien finden sich jetzt viele Beiträge, die die Sorgen der kapitalistischen Strategen ausdrücken. Dies ist ein wichtiger Wendepunkt.
Es gibt auf Weltebene massive Überproduktion ("Überkapazitäten"). Allein in Asien stehen riesige Produktionsanlagen still. Selbst nach dieser Krise wird es nicht mehr möglich sein, die alten hohen Wachstumsraten wieder herzustellen. Schwächliches Wachstum und eine hohe Sockelarbeitslosigkeit werden überall vorherrschen. Seit 1945 hat es eine solch instabile Weltlage, ein Zusammenspiel von Krieg und Rezession nicht mehr gegeben. Über lange Jahre hinweg erlebte der Kapitalismus einen kräftigen Aufschwung mit Vollbeschäftigung und steigendem Lebensstandard in allen fortgeschrittenen kapitalistischen Industrieländern wie auch relativ stabile Beziehungen zwischen den Staaten. Jetzt bewegt sich die Weltwirtschaft erstmals seit 1974 wieder in die erste simultane Rezession. Diese neue Situation bereitet den Strategen des Kapitals Kopfzerbrechen.
In Wirtschaft und Politik ist der Imperialismus mit gleichzeitig an verschiedenen Orten ausgebrochenen verheerenden Waldbränden konfrontiert. Haben sie einen Brand gelöscht, ist anderswo ein noch größeres Feuer ausgebrochen. Wer wir sind und was wir wollen Die Internationale Marxistische Tendenz ist formal betrachtet sehr jung, aber tatsächlich sehr alt. Wir stehen in der Tradition der Ideen von Marx, Engels, Lenin und Trotzki, die im Wesentlichen seit der Veröffentlichung des Kommunistischen Manifests vor über 150 Jahren ihre Gültigkeit bewahrt haben. Wir stützen uns auf das reichhaltige politische Erbe der Ersten, Zweiten und Dritten Internationalen. Wir stehen auch auf der Grundlage der Ideen von Leo Trotzki, der ein großer marxistischer Theoretiker und Märtyrer der Arbeiterbewegung war. Wir stehen in der Tradition der Internationalen Linken Opposition (ILO) und der Gründungsbeschlüsse der Vierten Internationale.
Die Person Ted Grant verkörpert die Kontinuität der Ideen von Trotzki. 2002 jährt sich der Ausschluss Leo Trotzkis und der Linken Opposition aus der Russischen Kommunisten Partei zum 75. Male. Ted Grant war von Anfang an Mitglied der von Trotzki gegründeten Internationalen Linken Opposition. Er verkörpert den ununterbrochenen Roten Faden, der uns mit den besten Traditionen der Bolschewismus und Leninismus und der Oktoberrevolution verbindet. Unter extrem schwierigen Bedingungen kämpften Trotzki und die ILO für die Bewahrung der wirklichen Traditionen der russischen Oktoberrevolution. Damals genoss der Trotzkismus überall den Respekt aktiver Arbeiter. Doch leider wurden diese großen Traditionen durch sektiererische Strömungen und Gruppen aufgegeben und verraten, die nach Trotzkis Tode das Banner der "Vierten Internationale" an sich rissen.
Der rote Faden
Insofern verkörpert das Lebenswerk von Ted Grant den roten Faden eines 70jährigen Engagements zur Verteidigung echter marxistischer Ideen. Natürlich sind wir auf Schritt und Tritt mit riesigen Problemen und Hindernissen konfrontiert. Wir haben gezeigt, daß wir dem Druck standhalten können. Das ist zuallererst auf den klare politischen Kurs zurückzuführen und ebenso auf ein wissenschaftliches Verständnis von Gesellschaft und Klassenkampf. Aber Ideen an sich sind nicht genug. Mit ihnen muss eine organisierte Tendenz aufgebaut werden. In Großbritannien bauten wir über mehr als vier Jahrzehnte hinweg die erfolgreichste trotzkistische Bewegung seit der russischen Linken Opposition auf. Leider wurden diese Errungenschaften von ultralinken Kräften zunichte gemacht. Vor zehn Jahren vollzogen wir in Großbritannien und international mit denjenigen einen Bruch, die diese Traditionen aufgeben und die Bewegung auf einen sterilen sektiererischen Pfad führen und die Erfolge jahrzehntelanger Arbeit in Labour Party und Gewerkschaften aufgeben wollten. Zehn Jahre später sprechen die Fakten für sich. Diese kurzsichtigen Sektierer, die sich damit begnügten, aus der Labour Party rauszugehen und sich selbst als "die Partei" zu proklamieren, haben nur eines geschafft: Schiffbruch für die Bewegung.
Bürgerliche, Rechte und Ultralinke dachten damals, dass nun unsere marxistische Tendenz am Ende sei. Aber sie haben sich geirrt. Manchmal gibt es Zeiten in der Geschichte, zu denen es schon eine Leistung ist, die eigene Bewegung einfach zusammenzuhalten. Und dies ist uns trotz aller Probleme gelungen. Gleichzeitig erleben die meisten politischen Sekten Krise, Spaltung und Verluste. Dies rührt daher, dass sie kein Verständnis dafür haben, wie sich die Arbeiterklasse bewegt. Ihnen fehlt eine klare Theorie und eine Orientierung auf die Arbeiterklasse. Uns ist es immerhin gelungen, an die historischen Traditionen anzuknüpfen, einen Wiederaufbau in Angriff zu nehmen und uns unter einem neuen und unbefleckten Banner zu sammeln. Mit Gleichgesinnten in verschiedenen Ländern haben wir den Wiederaufbau der marxistischen Tendenz auf der Grundlage der Ideen von Marx, Engels, Lenin und Trotzki in Angriff genommen. Nach einer ziemlich schwierigen Phase geht es jetzt aufwärts.
Uns kommt dabei auch eine Wende in der objektiven Lage zugute. Überall finden wir, dass unter etlichen Jugendlichen und auch älteren Arbeitern ein Interesse an politischen Ideen besteht. In vielen Ländern und Kontinenten wird das Echo auf unsere Ideen stärker und stoßen neue Mitstreiter zu uns. Dies ist kein Zufall. Es spiegelt den Beginn einer Wende in der objektiven Lage wider. Unsere Ideen haben bisher den Praxistest bestanden. Wir kennen keine künstliche Trennung zwischen Theorie und Praxis. Unsere Theorie, Programm und Perspektiven müssen sich in organisatorischer Form ausdrücken, denn sonst werden sie nie umgesetzt werden. Wir müssen einen Weg zur Masse der Arbeiterklasse finden, zuerst zu den Aktiven in den Gewerkschaften und den sozialistischen und kommunistischen Massenparteien.
Auf die Massenorganisationen orientieren!
Eine revolutionäre Tendenz braucht Perspektiven, aber auch Wachstumsstrategien. Beim Aufbau einer marxistischen Bewegung gibt es keine Schleichwege oder Allheilmittel. Kleine ultralinke Sekten am Rande der Arbeiterbewegung bauen mit einer Handvoll Leute phantomartige "revolutionäre Parteien" auf und verstehen nicht mal den Kern des Problems beim Parteiaufbau. Es reicht einfach nicht aus, die Überlegenheit des Marxismus zu verkünden. Die marxistischen Kräfte sollten nicht nur in Theorie geschult werden, sondern auch in geduldiger Mitarbeit in den Arbeiter-Massenorganisationen.
Wir haben eine doppelte Aufgabe: theoretisch - d.h. die Ideen erklären und verbreiten, und praktisch - d.h. die marxistische Strömung aufbauen. Wir dürfen dem äußeren Druck der aktuellen Situation nicht nachgeben, sondern müssen die Perspektiven und Prozesse verstehen, die vielleicht noch vielfach im Verborgenen ablaufen. In den letzten 20 Jahren haben die Arbeiterorganisationen Niederlagen und Rückschläge erlebt. Viele Aktivisten blicken zurück und sehen da nur eine Niederlage nach der anderen. Ohne marxistische Perspektiven kann man da schnell zum großen Pessimisten werden. Diese Psychologie - sie wird uns oft als "Realismus" verkauft - spiegelt allerdings die Vergangenheit und nicht die Gegenwart oder gar die Zukunft wider. Der Klassenkampf wird weitergehen, ganz gleich, was die Führer der Gewerkschaften oder Arbeiterparteien sagen. Natürlich können mächtige Gewerkschaftsapparate die Bewegung eine Zeitlang aufhalten. Aber je mehr sie dies tun, desto explosiver wird die Bewegung dann werden. Und wenn Gewerkschaften die offizielle Bewegung blockieren, wird es wieder verstärkt inoffizielle Bewegungen geben können, die dann später wieder in offizielle Aktionen münden können. Unter der scheinbar glatten und ruhigen Oberfläche baut sich derzeit eine explosive Stimmung auf.
In der kommenden Zeit wird sich die Krise des Kapitalismus als Krise der Arbeiter-Massenorganisationen manifestieren. Der Würgegriff opportunistischer und gemäßigter Führer wird gebrochen werden. Gewerkschaften und Parteien werden durch und durch erschüttert werden, und daraus werden sich dann linke reformistische und zentristische Strömungen herausbilden. Wir müssen in der Lage sein, diese nach links gehenden Arbeiter und Jugendlichen anzusprechen und zu überzeugen. Darum dürfen wir die Orientierung auf die Massenorganisationen der Arbeiterklasse nicht aufgeben.
Marxistische Strömung aufbauen!
Perspektiven bringen gewissen Konsequenzen mit sich. Der Aufbau der marxistischen Tendenz ist eine dringliche Aufgabe. Wir müssen uns den Aufgaben stellen, die früher auf uns zukommen könnten als wir es vielleicht annehmen würden. Die plötzliche Explosion in Argentinien zeigt, wie schnell radikale Veränderungen in allen Ländern eintreten können. Seien wir darauf vorbereitet. Wir haben in den letzten Jahren so viele politischen Analysen und Schriften herausgegeben wie nie zuvor in den letzten 50 Jahren. Daher rührt unser Erfolg. Jetzt liegt eine entscheidende geschichtliche Epoche vor uns. Wenn wir rechtzeitig die praktische Vorbereitungsarbeit leisten, dann ergeben sich für uns große Chancen.
Wir müssen organisatorisch auf einen Kampf gegen Kapitalismus und Imperialismus gefasst sein. Wir müssen auf allen Ebenen aktiv mitwirken. Unsere Reaktion auf die Ereignisse der letzten Monate kann sich sehen lassen. Noch am Abend des 11. September 2001 gaben wir online eine aktuelle Analyse heraus, und in den darauffolgenden Tagen und Wochen regelmäßige Aktualisierungen, Analysen, taktische Ratschläge Parolen für die Anti-Kriegs-Bewegung, und unsere Unterstützer in vielen Ländern setzten diese Ideen praktisch um. Weltweit bewegt sich jetzt alles schneller. Überall ist die herrschende Klasse mit zunehmender Instabilität, Kriegen und Krisen konfrontiert. Der Kapitalismus kann den Lebensinteressen der Menschen nicht gerecht werden; er ist ein krankes System, das Millionen und Abermillionen Menschen Armut, Kriegen, Erwerbslosigkeit, Krankheit, Unwissenheit und Unterdrückung aussetzt.
Zehn Jahre nach ihrer (Neu-)Gründung ist die Internationale Marxistische Tendenz optimistisch. Dies stützt sich darauf, dass unsere Ideen mit der Wirklichkeit zu tun haben. Wir vertrauen der marxistischen Methode, der Lernfähigkeit und Kampfbereitschaft der internationalen Arbeiterbewegung und unseren Fähigkeiten. Die Arbeit von heute ist der Schlüssel für die Siege von morgen. Mit der gebotenen Dringlichkeit und Entschlossenheit können wir viele vor uns liegende Hindernisse überwinden. Marxistische Schulung und Ausbildung und Verankerung in den Arbeiter-Massenorganisationen sind entscheidend - für die Herausbildung einer marxistischen Massenkraft, schließlich einer marxistischen Partei und Internationale, die in der Lage ist, der Bewegung Führung und Richtung zu geben und weltweit eine sozialistische Gesellschaft zu errichten. |