Kategorie: Theorie |
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Wie gewinnen wir einen Streik? |
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Die Erfahrungen des Teamsters-Streik aus dem Jahre 1934 hat Harry De Boer, damals selbst Streikführer, im folgenden Text zusammengefasst. Es zeigt den Weg, den die Gewerkschaften auch heute in der Krise gehen sollten. |
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Die Unternehmen pressen immer mehr aus ihren ArbeiterInnen heraus. Trotz Rekordprofiten fordern sie ein Zugeständnis nach dem anderen – und sie bekommen diese auch. Wo Gewerkschaften Lohnerhöhungen herausholen, sind diese oft so gering, dass sie den Kaufkraftverlust durch steigende Preise kaum ausgleichen können. Der Lebensstandard fällt zusehends. Viele ArbeiterInnen finden mit ihrem Lohn kein Auskommen und müssen sich verschulden. Gewerkschaftlich unorganisierte ArbeiterInnen sind davon besonders betroffen. Die Niedriglohnbereiche weiten sich immer mehr aus. Ohne den Schutz durch die Gewerkschaften sind unorganisierte ArbeiterInnen allen nur möglichen Angriffen seitens der UnternehmerInnen ausgesetzt. Kurzarbeit, Entlassungen usw. prägen in der Wirtschaft den Alltag. Streik ist immer das letzte Mittel. So soll es sein. Doch in diesen Tagen sind die UnternehmerInnen nur noch dann bereit Zugeständnisse zu machen, wenn die ArbeiterInnen bereit sind dafür zu kämpfen und notfalls auch zu streiken. Um ein entsprechendes Verhandlungsergebnis zu bekommen, müssen die ArbeiterInnen heutzutage Stärke beweisen. Von nichts kommt nichts. In den vergangenen Jahren wurden wichtige Streiks verloren. Streikende ArbeiterInnen werden durch StreikbrecherInnen ersetzt. Streiks wurden auf diese Art und Weise regelrecht zerschlagen. Und die ArbeiterInnen blieben ohne Job zurück. Diese Erfahrungen haben nicht wenige in der ArbeiterInnenbewegung zu dem falschen Schluss kommen können, dass Streiks heutzutage nicht mehr erfolgreich geführt werden können. „Warum sollen wir überhaupt kämpfen?“ fragen sich viele. In der Folge haben Gewerkschaften verheerende Abkommen mit den UnternehmerInnen unterschrieben, auch wenn sich die Wirtschaft gut und leicht höhere Löhne und sonstige Verbesserungen leisten hätte können. Einige Gewerkschaften haben aus Angst vor Streiks auf alternative Taktiken – zum Beispiel Öffentlichkeitskampagnen – zurückgegriffen. Nicht selten wird dies als Ersatz zum Streik gesehen. Solche Kampagnen können natürlich sehr hilfreich sein. Wenn die Gegenseite jedoch weiß, dass die Gewerkschaft nicht zu streiken bereit ist, sind sie jedoch weit weniger schlagkräftig als wenn sie in einen allgemeinen Streikplan eingebunden sind. Wenn die UnternehmerInnen das Gefühl haben, dass die Gewerkschaft nicht zu streiken bereit ist, dann werden sie es auf eine volle Konfrontation ankommen lassen. Die Streiks in Minneapolis, Toledo und San Francisco im Jahr 1934 lösten eine Welle von kämpferischen Streiks aus, die den Weg zur Formierung der großen Gewerkschaften in unserem Land ebneten. Jene militanten Streiks in den 1930ern schmiedeten die Industriegewerkschaften, die noch heute existieren. In den 1950ern, 1960ern und 1970ern wurden die Gewerkschaften immer selbstzufriedener. Die Kämpfe an den Streikposten gehörten der Vergangenheit an. Die Gewerkschaften wurden akzeptiert und erhielten einen Teil des Kuchens. Doch in den späten 1970ern und 1980ern änderte sich das Bild. Die UnternehmerInnen wurden zusehends aggressiver. Sie testen aus wie weit sie gehen könnten und erkannten bald, dass sie Streiks ohne große Probleme gebrochen werden konnten. Immer öfter setzte die Kapitalseite StreikbrecherInnen ein. Früher wagte es niemand eine Streikpostenkette zu überschreiten. Das ist mittlerweile ganz anders. Der Streik 1934 in Minneapolis bestand eigentlich aus drei Streiks: Dem Streik der Kohlefahrer im Februar, ein breiter angelegter Streik im Mai und die Wiederaufnahme des Streiks im Juli, der den endgültigen Sieg brachte. Im Streik der Kohlefahrer fehlte es uns an Streikposten, um alle bestreikten Betriebe still zu legen. Ich begann mit dem Organisieren von dem, was später als "fliegende Streikposten" bekannt wurde. Wir stellten bei einem Werkstor Streikposten auf, ließen aber LKW rausfahren, damit die Polizei glaubte, der Betrieb würde ohnedies ungehindert funktionieren. Dann fuhr eine Gruppe von Streikposten mit dem Auto den LKW nach, stoppten sie und leerten die Ladung auf die Straße. In mehreren Tagen legten wir dadurch den gesamten Kohletransport lahm. Es war damals ein bitter kalter Winter, die Haushalte und die Betriebe benötigten dringend die Kohle. Die Unternehmen mussten einlenken und wir hatten gewonnen. Farrell Dobbs, ein weiterer junger Anführer der Teamsters, und ich selbst, waren dazu bestimmt worden, an den Abenden im Gewerkschaftshaus zu bleiben und neue Mitglieder aufzunehmen. Tausende kamen und traten unserem Gewerkschaftslocal Teamsters 574 (heute 544) bei. Wenn die ArbeiterInnen eine Führung sehen, die zu kämpfen und zu gewinnen weiß, dann werden sie auch nicht zögern Gewerkschaftsmitglied zu werden. Der Sieg im Februar hatte unsere Gewerkschaft enorm gestärkt. Während des Streiks im Mai ging die Polizei mit großer Brutalität gegen die Streikenden vor. Es kam bei einem Streikposten zu einem Zwischenfall, wo Polizisten auf männliche und weibliche Streikposten einprügelte. Wir nahmen Stöcke zur Selbstverteidigung und in einer regelrechten Straßenschlacht setzten wir uns schlussendlich gegen die Polizei durch. Dieser Zusammenstoß wurde bekannt als "Battle of Deputy's Run". Im Juli begann der Streik als die Unternehmen sich geweigert hatten das Abkommen mit der Gewerkschaft vom Mai einzuhalten. Auch hier setzte die Polizei auf Gewalt. Diesmal eröffnete sie sogar das Feuer auf Streikende. Zwei Arbeiter wurden getötet, 60 weitere verletzt. Viele von ihnen wurden im Rücken getroffen. Dieser brutale Übergriff hatte jedoch einen anderen Effekt als sich dies die Gegenseite erhofft hatte. Anstatt die Gewerkschaft zu schwächen, spornte dies die Kampfbereitschaft der ArbeiterInnen nur noch mehr an. Die öffentliche Meinung war nun mehr und mehr auf unserer Seite. Im August 1934 akzeptierten die Unternehmen endlich das Abkommen. Es war ein gewaltiger Durchbruch für die Teamsters und die gesamte ArbeiterInnenbewegung. Minneapolis war von da an eine Hochburg der Gewerkschaft und hatte enorme Strahlkraft im ganzen Mittleren Westen. Sozialpartnerschaftliche Kooperation sei heute das Gebot der Stunde. In "Qualitätszirkeln" werden ArbeiterInnen dazu ermutigt mit dem Management gemeinsam die Probleme des Unternehmens zu lösen. In der Praxis führt dies zu einem höheren Arbeitstempo, einer gesteigerten Produktivität und der Aufgabe von jedem Widerstand gegen die Pläne des Kapitals. Jene UnternehmerInnen, die an unsere Kooperationsbereitschaft appellieren, sind die selben, die am Verhandlungstisch von den Gewerkschaften Zugeständnisse und Lohnzurückhaltung einfordern. In Wahrheit hat sich in der Beziehung zwischen Arbeit und Kapital nichts Grundlegendes geändert. Der Boss ist noch immer der Boss. Einziger Unterschied: er heuert auch noch einen hochbezahlten Berater an, der mit seiner "Expertenmeinung" die Gewerkschaft zurückdrängen soll. "Zusammenarbeit mit dem Management" ist meist nur ein Codewort für das Unterminieren und Brechen der Gewerkschaft. GewerkschaftsführerInnen müssen ein Verständnis für das Funktionieren des kapitalistischen Systems haben. Unsere Führer im 34er-Jahr waren sich bewusst, dass das Profitsystem die Bosse dazu brachte gegen die Gewerkschaft gnadenlos vorzugehen. Die Gewerkschaftsführung versuchte nicht ihre revolutionäre Perspektive der Mitgliedschaft aufzudrücken, diese Perspektive – und die daraus fließenden Organisationsmethoden – waren aber wichtig um den Streik gewinnen zu können. Meine Antwort darauf: 1934 plakatierten wir die Wände mit solchen Verfügungen. Die UnternehmerInnen werden natürlich immer einen gewerkschaftsfeindlichen Richter finden so etwas zu unterschreiben. Der Ausgang von Streiks hängt aber vom Kräfteverhältnis zwischen Kapital und Arbeit ab. Wenn unsere Kräfte stärker sind als ihre, dann können wir gewinnen. Aber wenn wir diese gerichtlichen Verfügungen ignorieren und weiter streiken, dann wird uns die Polizei verhaften, argumentieren diese GewerkschafterInnen dann. Meine Antwort: So soll es sein. Sollen sie die Gefängnisse bis zum letzten Platz füllen. Das wäre nicht das Ende des Kampfes. Unsere Reihen würden schnell aufgefüllt werden mit neuen KollegInnen, die über diese Willkürakte der Behörden schockiert sind. Wir müssen weiter die bestreikten Betriebe dicht halten. „Wie bringt man nun Tausende von ArbeiterInnen auf die Straße?“, werden sich viele die Frage stellen. Und es ist eine gute Frage. Zuerst einmal braucht es eine Führung, die bereit ist, Schritte zu setzen. Wenn man an der Spitze der eigenen Gewerkschaft keine KämpferInnen hat, dann muss man eben eine neue Führung wählen. Es braucht eine Liste von KandidatInnen, die für echte Gewerkschaftsdemokratie stehen und die bereit sind, es mit den UnternehmerInnen aufzunehmen. Zweitens braucht man eine umfassende Strategie. Eine Broschüre kann natürlich nicht auf all die Probleme, die im Zuge eines Arbeitskampfes auftauchen werden, einen genauen Lösungsvorschlag entwickeln. Was ich in diesem Rahmen lediglich machen, ich kann eine Methode skizzieren. Für jeden Streikplan gelten jedoch einige Grundregeln. Erfolgreiche Streiks setzen die Beteiligung und die Unterstützung der gesamten ArbeiterInnenbewegung voraus. Gelingt es eine breite Unterstützungsfront aufzubauen, dann kann das sogar ausreichend Druck schon erzeugen, um einen Streik überhaupt abwenden zu können. Wenn die UnternehmerInnen den Eindruck haben, dass sie es mit der gesamten ArbeiterInnenbewegung in der Stadt oder einem Bundesstaat aufnehmen müssen, dann werden sie es sich mehr als einmal überlegen, ob sie dieses Risiko eines harten Arbeitskonflikts eingehen sollen. Lokale GewerkschaftsführerInnen müssen eine Informationskampagne über ihren Kampf und ihre Anliegen starten, um die Unterstützung von Abgeordneten aus der ArbeiterInnenbewegung, anderen Gewerkschaften usw. zu bekommen. Zweitens, muss man in einem Arbeitskampf immer in größeren Dimensionen denken. Bevor das Ultimatum für den Streikbeginn abläuft sollte man immer schon ein oder zwei größere Kundgebungen oder Versammlungen organisieren. Dazu sollen auch prominente GewerkschafterInnen und ArbeiterführerInnen als SprecherInnen eingeladen werden. Mit professionellen Flugblättern und Plakaten sollen diese Initiativen breit beworben werden. Alle Gewerkschaften nicht nur die eigene Fachgewerkschaft sollen eingeladen werden. Im Vorfeld muss man bei der Organisierung versuchen möglichst alle Aspekte mitzudenken. Auf alle Fälle muss darauf geachtet werden, dass Frauen und ImmigrantInnen voll in der Kampagne berücksichtigt werden und eine wichtige Rolle einnehmen können. In den 1930ern sandten wir GewerkschafterInnen aus, um gezielt Arbeitslose gewerkschaftlich zu organisieren. Diese sollten eigene Arbeitslosenkontingente unserer Gewerkschaft bei den Streikpostenketten formieren. Je erfolgreicher wir dabei sind, desto schwerer wird es den UnternehmerInnen fallen, StreikbrecherInnen zu rekrutieren. In den großen Tageszeitungen und der ArbeiterInnenpresse sollten große Inserate geschaltet werden, in denen die Anliegen der Gewerkschaft erklärt und die bisherigen UnterstützerInnen aufgelistet werden. Sendet VertreterInnen von Eurer Gewerkschaft zu den Versammlungen anderer Gewerkschaften und legt dort Euren Fall dar. Schaut, dass bekannte ArbeiterführerInnen Briefe an alle Gewerkschaften schreiben, in dem sie sich mit Eurem Kampf solidarisch zeigen und zur aktiven Teilnahme an Euren Aktionen aufrufen. Also: Denkt in großen Dimensionen! Und dann denkt in noch größeren Dimensionen! Die ArbeiterInnen des bestreikten Betriebes sollten bei der Arbeit und in der Freizeit Buttons tragen, mit denen für Solidarität geworben wird. Schaut, dass eine gute Pressearbeit gemacht wird. In der ArbeiterInnenpresse und wenn möglich auch in anderen Medien sollten regelmäßig Berichte über den Arbeitskampf erscheinen. Organisiert Pressekonferenzen mit GewerkschaftsführerInnen und anderen prominenten UnterstützerInnen. Präsentiert in der Öffentlichkeit KollegInnen, deren persönliche Zukunft von einem erfolgreichen Streik abhängt. Ein Streik muss immer gut geplant und organisiert sein. Der 1934er-Streik in Minneapolis ist auch in dieser Hinsicht ein klassisches Vorbild. Das Buch, „Teamster Rebellion“ von Farrell Dobbs, erzählt die ganze Geschichte im Detail, und ich empfehle dieses Buch jedem/der, der/die einen Arbeitskampf zu führen hat. Wir hatten eine eigene Kommission, die für die Verpflegung von Streikenden und ihren Familien verantwortlich war. Wir stellten täglich warme Mahlzeiten zur Verfügung. Die dazu notwendigen Lebensmittel waren Spenden von Landwirten und kleinen Kaufleuten, die mit unseren Anliegen sympathisierten. Auf diese Weise konnten wir die KollegInnen über die Runden bringen und die Solidarität unter den ArbeiterInnen verstärkte sich dadurch massiv. Das Streikkomitee hatte auch Ärzte und Krankenschwestern im Hauptquartier der Streikleitung. Sie waren zuständig für die medizinische Versorgung von ArbeiterInnen, die bei den Streikpostenketten verletzt wurden. Diese Maßnahme erwies sich als äußerst wertvoll. Zum ersten Mal in der Geschichte der US-ArbeiterInnenbewegung gaben wir eine tägliche Streikzeitung – „The Organizer“ – heraus. Während eines Streiks muss man immer damit rechnen, dass die Herausgeber der bürgerlichen Massenmedien den Fall in einem falschen Licht präsentieren. Deshalb brauchen wir eine eigene Publikation, in der wir unsere Anliegen formulieren. Wenn wir wollen, dass die Wahrheit über den Streik berichtet wird, dann müssen wir selber darüber berichten. Eine tägliche Streikzeitung kann eine wichtige Funktion haben, wenn es darum geht die Streikenden und ihre UnterstützerInnen zu mobilisieren und die Öffentlichkeit politisch aufzuklären. Dadurch können neue Verbündete für die Streikenden gewonnen werden. Alle Formen der Solidarität sind erwünscht. Kontaktiert andere Gewerkschaften vor Ort, Frauengruppen und Stadtteilorganisationen. Es geht darum die UnternehmerInnen öffentlich zu isolieren, mit dem Ziel, dass der öffentliche Druck ihn zum Einlenken zwingt. In der Tat, je mehr vor dem Streik geplant und je größer die Solidarität vom Rest der ArbeiterInnenbewegung ist desto geringer ist die Wahrscheinlichkeit, dass es überhaupt zu einem Streik kommt. Ein günstiges Kräfteverhältnis im Vorfeld kann sehr hilfreich sein, wenn es um das Abwenden des Streiks geht. Natürlich braucht es einen speziellen Plan zur sozialen Absicherung der ArbeiterInnen, vor allem jener, die unter dem größten finanziellen Druck stehen. Zu diesem Zweck sollte eine eigene Kommission gegründet werden. Diese sollte für den Fall, dass KollegInnen ihre ausstehenden Rechnungen nicht bezahlen oder ihre Schulden nicht zurückzahlen können, einen Notfallplan ausarbeiten. In einem Streik muss immer Rücksicht auf die schwächsten Glieder in der eigenen Kette genommen werden. Dies ist eine Grundvoraussetzung, dass ein Streik solide bleibt und nicht einzelne ArbeiterInnen sich finanziell gezwungen sehen den Streik zu beenden und individuell an die Arbeit zurückzukehren. Das wäre nämlich die größte Tragödie! Gerade diese KollegInnen werden aber zu den beherztesten UnterstützerInnen der Gewerkschaft, wenn sie wissen, dass die Gewerkschaft sich um sie kümmert. Das Rückgrat einer jeden Gewerkschaft bildet die Gewerkschaftsdemokratie. Je demokratischer eine Gewerkschaft ist, desto stärker wird sie sein. Im Regelfall werden die Mitglieder nicht zu den Gewerkschaftstreffen gehen, weil sie ohnedies das Gefühl haben, dass die Entscheidungen längst schon andernorts gefällt worden sind. Die Treffen müssen geöffnet werden und demokratischer ablaufen. Alle wichtigen Entscheidungen der Gewerkschaft sollten erst im Anschluss an eine breite Diskussion und eine Abstimmung unter den Mitgliedern gefällt werden. Wenn die Gewerkschaftsführung undemokratisch ist, dann muss sie abgewählt und durch KollegInnen ersetzt werden, die sich einer echten Gewerkschaftsdemokratie verpflichtet fühlen. FührerInnen, die selbst kämpferisch sind und für Methoden der Gewerkschaftsdemokratie stehen, wird es auch gelingen ein Klima zu schaffen, wo die Basis in zunehmendem Maße selbst aktiv wird. GewerkschaftsführerInnen sollten ihre Strategie immer offen mit der Mitgliedschaft diskutieren. BasisaktivistInnen sollten dazu ermutigt werden Verantwortung zu übernehmen. Diskutieren, planen und abstimmen! Je demokratischer eine Gewerkschaft wird, desto eher werden die Mitglieder sich an den Entscheidungsprozessen, die ihr eigenes Leben betreffen, beteiligen wollen. In unserem Gewerkschaftslocal Teamsters 574 hatten wir gewählte BetriebsrätInnen, welche die Mitglieder in den verschiedenen Betrieben repräsentierten. Außerdem hatten wir eine gewählte Beschwerdekommission, die zweimal im Monat tagte und wo ArbeiterInnen ihre Anliegen vorbringen konnten. Wir hatten ein gewähltes Verhandlungskomitee. Im Transportstreik von 1934 hatten wir in Minneapolis ein "Komitee der 100" gewählt. Dieses Komitee tagte zwischen den regulären Gewerkschaftstreffen. Vorschläge der Führung während des Streiks wurden zuerst dem "Komitee der 100" vorgelegt. Das Komitee fällte dann Entscheidungen und berichtete diese dann der Basis. Dieser demokratische Prozess stärkte den Streik enorm und sorgte dafür, dass die Führung im Interesse der Mitgliedschaft agierte und nicht abhob. GewerkschaftsführerInnen lehnen diese offene Form der Gewerkschaftsdemokratie meist ab. Während eines Streiks oder im Zuge von Verhandlungen sprechen sie sich für größtmögliche Geheimhaltung aus. Nicht selten steckt hinter diesem Argument der Versuch, hinter dem Rücken der ArbeiterInnen einen unbefriedigenden Kompromiss aus zu verhandeln. Jedes Verhandlungsabkommen birgt einen Kompromiss in sich. Die Entscheidung der Gewerkschaft darüber muss aber von den Mitgliedern gefällt werden. Die Forderungen, mit denen die Gewerkschaft in einen Kampf und in Verhandlungen geht, müssen von den Mitgliedern abgestimmt werden. Die Mitglieder sollten auch entscheiden, wenn eine Forderung am Verhandlungstisch aufgegeben wird. Je demokratischer eine Gewerkschaft ist, desto mehr werden die ArbeiterInnen in die Angelegenheiten der Gewerkschaft eingebunden sein. Je undemokratischer eine Gewerkschaft ist, desto weniger enthusiastisch werden die Mitglieder ihrer Führung folgen, wenn die UnternehmerInnen die Gewerkschaft zu einem Arbeitskampf zwingen. • Massenstreikposten: Sie müssen Teil eines jeden Streiks sein. Allein durch unsere zahlenmäßige Stärke können wir verhindern, dass der Betrieb funktioniert. • Sitzblockaden vor dem Werk: Angesichts einer großen Polizeipräsenz ist es oft die beste Taktik, wenn sich einfach ein paar Hundert oder Tausend Menschen vor den wichtigsten Werkstoren positionieren. Es mag dann vielleicht zu Massenverhaftungen kommen, aber damit können sie eine solche Aktion nicht stoppen. • Sitzstreik im Werk: Diese Taktik wurde in den 1930ern entwickelt und gehört zu den effektivsten Streikmethoden. Es ist dann enorm schwierig für die UnternehmerInnen die ArbeiterInnen rauszuschaffen, um mit StreikbrecherInnen den Betrieb wieder aufzunehmen. • "Fink drives": "Finks" ist eine andere Bezeichnung für StreikbrecherInnen. Wenn die UnternehmerInnen solche einsetzen, um den Betrieb wieder in Gang zu setzen, dann haben wir die kämpferischsten ArbeiterInnen zusammengeholt, sind in den Betrieb rein und haben die StreikbrecherInnen rausgeschmissen.
"Harry, viele Arbeiter werden am Anfang vielleicht nicht verstehen, wofür wir kämpfen. Wir müssen deshalb mit ihnen reden. Wir müssen ihnen erklären, worum es bei dem Streik überhaupt geht. Wir müssen ihnen eine Chance geben unsere Argumente zu verstehen. Schreib keinen von ihnen ab, bevor Du ihnen nicht eine Chance gegeben hast." Einer der ersten unorganisierten Fahrer, den wir aufhielten, bestätigte voll und ganz, was Carl zu mir sagte. Wir waren einem LKW gefolgt und stoppten ihn nach ein paar Blocks. Wir erklärten dem Fahrer, wofür wir kämpften und warum wir streiken. Der Mann wurde wütend. Er erzählte uns, dass ihn sein Boss bezüglich unserer Streikziele belogen habe. Er hüpfte aus dem LKW und half uns seine Ladung auf die Straße zu leeren! Noch am selben Abend kam er runter zu unserem Gewerkschaftsheim und trat der Gewerkschaft bei. Nach dem Streik wurde er ein loyaler Gewerkschafter. Wir können daraus eine wichtige Lehre ziehen. Es ist notwendig den ArbeiterInnen zu erklären, warum wir im Streik sind. Und dies gilt auch für ArbeiterInnen, die als StreikbrecherInnen angeheuert wurden. In vielen Fällen, wenn wir mit den ArbeiterInnen reden, werden wir sie für unsere Seite gewinnen können. Wenn uns das nicht gelingt, dann ist das eine andere Sache. In dieser Gesellschaft, in der wir so oft mit gewerkschaftsfeindlicher Propaganda konfrontiert sind, werden auch viele ArbeiterInnen gegenüber Gewerkschaften eine ablehnende Haltung entwickeln. Wenn wir mit ihnen reden und unsere Anliegen gut erklären, dann können wir aber viele von ihnen umdrehen. Diese Offenheit müssen wir auch im Umgang mit den KollegInnen an den Tag legen, die nicht von Beginn an von der Notwendigkeit kämpferischer Aktionen überzeugt sind. Anhand praktischer Erfahrungen werden aber auch die meisten von ihnen ihre Meinung ändern. Streiks werden wir nur mit Massenaktionen gewinnen. Die Frage der gewerkschaftlichen Organisierung erfordert eine ähnliche Herangehensweise. Massenmobilisierungen sind die beste Voraussetzung für Organisierungskampagnen. Wir müssen Kundgebungen organisieren, in welche die gesamte Mitgliedschaft eingebunden ist. Die Unterstützung der restlichen ArbeiterInnenbewegung muss sichergestellt werden. Im Zuge von Kollektivvertragsverhandlungen setzen die Bosse nicht selten auf Einschüchterungsversuche, um die ArbeiterInnen in die Knie zwingen zu können. Die Unternehmer drohen den Gewerkschaften, die höhere Löhne fordern, mit der Möglichkeit von Produktionsverlagerungen in Billiglohnländer, wo die Gewerkschaften schwach sind. Gerade wenn die Belegschaft sehr qualifiziert ist, handelt es sich dabei meist nur um eine leere Drohgebärde. Doch die Gewerkschaften müssen imstande sein auf solche Manöver schnell zu reagieren. Wenn die Unternehmer tatsächlich solche Schritte setzen, dann müssen die Gewerkschaften zurückschlagen und der Gegenseite eins klarmachen: "Wir werden auch am neuen Standort eine starke Gewerkschaft aufbauen. Wenn Ihr ins Ausland geht, dann werden wir über unsere internationalen Gewerkschaftskontakte alles daran setzen, dass auch dort die ArbeiterInnen gewerkschaftlich organisiert werden. Wohin Ihr auch gehen mögt, wir werden Euch folgen. Wir werden es nicht zulassen, dass Ihr Eure ArbeiterInnen ausbeutet. Es wäre also besser, am Verhandlungstisch gleich ein vernünftiges Paket vorzulegen, weil es woanders für Euch nicht besser werden wird." Wenn sich eine Gewerkschaft klar darauf festlegt, die ArbeiterInnen organisieren zu wollen, dann ist das der beste Weg um gute Tarifverträge zu bekommen. In unserer Gewerkschaftsgruppe hatten wir folgendes Motto: "Every member an organizer". Mit anderen Worten: alle Mitglieder müssen in die Werbung neuer Mitglieder eingebunden werden. Wo immer sie auf andere ArbeiterInnen treffen, müssen sie diese dazu ermutigen auch in die Gewerkschaft einzutreten. Dieses Motto gilt heute wie damals. Je mehr ArbeiterInnen in unserer Gewerkschaft organisiert sind, um so schwieriger wird es für die UnternehmerInnen einen Streik zu brechen. Und es wird die Gewerkschaft zu einer machtvollen Kraft für Fortschritt und soziale Gerechtigkeit machen. Die Gewerkschaft muss immer an der Seite derer sein, die ganz unten sind. Wir müssen uns um Alleinerziehende kümmern, um das Kind, das nicht einmal genug zu essen hat, um Behinderte, um die Opfer von Diskriminierung. Wir müssen zum Sprachrohr für die Alten werden, die mit ihrer kleinen Pension oft gar nicht über die Runden kommen. Indem für all diese Gruppen kämpfen, können wir die Gewerkschaften wieder groß machen. Deren Anliegen sind unsere Anliegen, wenn wir für ordentliche Löhne und Arbeitsbedingungen für alle kämpfen!
DeBoer blieb sein Leben lang seinen Prinzipien treu, noch in hohem Alter fungierte er als Berater für junge GewerkschafterInnen. In der vorliegenden Broschüre zieht mit großer Klarheit die Lehren aus den Erfahrungen, die er und seine KollegInnen in der Praxis gemacht haben. Diese Broschüre zeigt eine Perspektive auf und bietet für die heutige Generation von ArbeiterInnen Licht am Ende des Tunnels. |