Kategorie: Theorie

Warum ist die Arbeiterklasse für Marxisten so wichtig?

Wer als Marxist heute von der Arbeiterklasse redet, wird oft etwas schräg angeschaut. Gibt es denn überhaupt noch eine Arbeiterklasse? Leben wir nicht in der Dienstleistungsgesellschaft? Macht die Einteilung der Gesellschaft in Klassen überhaupt noch Sinn?

Bild: der funke


Wenn heute überhaupt von Klasse oder gar von Arbeiterklasse gesprochen wird, dann werden damit nur sehr oberflächliche Kategorisierungen und Beobachtungen beschrieben. Solche Konzepte werden in vielen Medien kultiviert und haben sich auch stark in der linken Bewegung eingenistet.

Gesellschaftliche Einteilungen

Manche dieser Konzepte zur Einteilung der Gesellschaft nehmen das Einkommen als Grundlage ihrer Aufteilung. Dann kommen zum Beispiel solche Unterscheidungen wie „Unterschicht“, „Mittelschicht“ und „Oberschicht“ zustande. Dem Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung zufolge gehört ein Single-Haushalt schon mit 1.400 Euro Monatseinkommen zur Mittelschicht. Ab 2.500 Euro sei man sogar reich. Ziel einer solchen Festlegung ist es, denjenigen, die in dieser Mitte der Gehaltsskala verdienen, zu suggerieren, dass sie unter dem gegenwärtigen Wirtschaftssystem nicht leiden würden. Für diejenigen, die zur Unterschicht gehören, heißt es dann, sie müssten sich nur genug anstrengen, dann würden sie schon auch in eine höhere Schicht gelangen. Dass Millionäre und Milliardäre in solchen Statistiken gar nicht auftauchen, wird wiederum verschwiegen.

Eine andere Einteilung ist die Unterscheidung zwischen Arbeitern, Angestellten und Beamten. Die Einteilung nach der Art der Arbeit – körperlich/handwerklich/Handarbeit oder Büro- und Verwaltungsarbeit – hat ebenso das politische Ziel, zu unterstellen, dass die verschiedenen Berufssparten auch völlig unterschiedliche Interessenlagen hätten. Eine weitere Einteilung ist die in Milieus. Diese verfolgt die Unterteilung der Gesellschaft in Gruppen mit vergleichbaren Werthaltungen, Mentalitäten und Prinzipien der Lebensführung. Hier ist es nun völlig egal, in welcher vertikalen Schicht man sich befindet.

Mit diesen verschiedenen Beobachtungen wird schließlich die Behauptung konstruiert, dass die Gesellschaft so heterogen sei, dass eine Formulierung gemeinsamer Interessen von großen gesellschaftlichen Einheiten nicht möglich sei. Schon gar nicht der Lohnabhängigen. Deshalb sei ein kollektiver Einsatz zur Durchsetzung übergeordneter politischer Ziele nicht möglich. Jeder könne sich nur individuell oder in kleinen Grüppchen für Partikularinteressen einsetzen. Vereine, NGOs und Parteien gründen, Safe-Spaces einrichten, parlamentarische Vertretungen organisieren, das seien die einzigen Möglichkeiten, um etwas zu bewirken.

Klasse im Marxismus

Mit dem marxistischen Begriff der Klasse bzw. der Arbeiterklasse hat das nichts zu tun. Der Marxismus definiert die Zugehörigkeit zu einer Klasse nach der Stellung, die ein Mensch bzw. eine Gruppe von Menschen im Produktionsprozess einnimmt. Es gibt Kapitalisten, denen riesige Konzerne gehören und Kapitalisten, denen nur ein Kleinbetrieb gehört. Aber sie alle haben gemeinsam, dass ihnen Produktionsmittel gehören und dass sie andere Menschen mit diesen Produktionsmitteln arbeiten lassen, um aus dem Verkauf der Produkte Profit einzustreichen. Genauso gibt es Arbeiter, die 8000 Euro im Monat verdienen, und solche, die 450 Euro im Monat verdienen. In der Folge führen sie natürlich einen unterschiedlichen Lebensstil. Was sie aber beide eint ist, dass sie ihre Arbeitskraft am Arbeitsmarkt gegen Lohn verkaufen müssen, um ihren Lebensunterhalt zu bestreiten. Das heißt, dass beide denselben wirtschaftlichen Gesetzen unterworfen sind. Die Existenz beider ist bedroht, wenn der Kapitalist sie nicht mehr braucht und sie entlässt. Beide haben kein Privateigentum an Produktionsmitteln, mit dem sie ihren Lebensunterhalt bestreiten könnten. Beide lernen irgendwann, dass sie allein auf sich gestellt nichts gegen ihren Boss ausrichten können, sondern nur kollektiv als organisierte Belegschaft und Klasse eine Chance haben.

Kurz: Sie haben beide dieselbe Rolle im Produktionsprozess. Sie erzeugen den gesamten Wert, den es in der Gesellschaft gibt, bekommen aber stets nur einen Bruchteil von diesem Wert als Lohn bezahlt. Den Rest behalten die Kapitalisten, um durch den Verkauf der Werte einen Profit zu machen. Das ist das Ausbeutungsprinzip, das im Kapitalismus wirkt.

Alle Kapitalisten haben gewisse gleiche Interessen, auch wenn sie sonst in Wettbewerb zueinander stehen. Alle Kapitalisten wollen und müssen möglichst hohe Profite einfahren, damit ihr Unternehmen überlebt. Folglich haben alle Kapitalisten ein Interesse an möglichst niedrigen Ausgaben, d.h. vor allem möglichst niedrigen Löhnen und längeren Arbeitszeiten.

Die kapitalistische Produktionsweise hat also einen Gegensatz in unserer Gesellschaft zur Folge. Es gibt die Klasse der Ausgebeuteten, sprich die Arbeiterklasse, die ihre Arbeitskraft verkauft, um zu überleben. Und es gibt die Klasse der Ausbeuter, also die Kapitalisten, die sich die Arbeitskraft kaufen und durch ihren Einsatz mehr Wert erzeugen als sie für die Arbeitskraft zahlen. Deswegen herrscht in unserer Gesellschaft ein Klassengegensatz und nicht einfach nur ein Gegensatz zwischen „Arm“ und „Reich“ vor. Wir leben also in einer Klassengesellschaft, die sich aus der Produktionsweise ergibt.

Aus der Rolle, die ein Mensch im Produktionsprozess einnimmt, entstehen nicht nur objektive Interessen, sondern auch ein gewisses Bewusstsein: Für den Kapitalisten hängt der Lebensunterhalt an seinem Privatbesitz. So muss er dafür sorgen, dass sein Unternehmen läuft. Die Arbeiter hingegen merken sehr schnell, dass sie allein gegen ihren Boss nichts ausrichten können, da sie im Zweifel gefeuert und durch einen anderen verzweifelt Arbeitsuchenden ersetzt werden. Nur wenn sie gemeinsam agieren und kämpfen, haben sie eine Chance. Daraus folgt kollektives Klassenbewusstsein. Der Streik ist eine Ausdrucksform dessen.

Was uns eint

Anhand dieser Klassenlinien müssen wir all jene verbinden, die unter den gegenwärtigen Zuständen leiden. Egal ob Leiharbeiter oder Stammbelegschaft, ob Informatiker, Krankenpfleger oder Automobilarbeiter, am Ende teilen alle das gleiche Schicksal. Lohnsenkungen und sozialer Kahlschlag in einem Sektor ziehen gleiches in einem anderen nach sich. Arbeiter, die gestern noch fest angestellt waren, sind heute outgesourcte Leiharbeiter. Die Solidarität über Gehaltsklassen und Branchen hinweg ist das einzige Mittel, das wir den Angriffen der Bürgerlichen entgegenzusetzen haben.

Dasselbe gilt für Diskriminierungen aller Art. Diskriminierung ist immer ein Mittel, um die Unterdrückten zu spalten. So werden z.B. Geflüchtete oder Frauen gegen die oft männliche Stammbelegschaft ausgespielt und als Lohndrücker eingesetzt. Auf die Stammbelegschaft wirkt das dann so disziplinierend, dass sie Lohnkürzungen hinnimmt.

Deshalb ist es wichtig, alle Arbeitenden unabhängig von Geschlecht, Nationalität, sexueller Orientierung usw. in den Kampf einzubinden und gleiche Löhne, gleiche Arbeitsbedingungen, gleiche Rechte für alle zu erkämpfen. Der Rassismus aller bürgerlichen und kleinbürgerlichen Parteien von AfD bis Grüne ist deshalb zu bekämpfen, weil er die Arbeiterklasse spaltet und somit ihre Kampfkraft schwächt und nicht, weil er gegen abstrakte moralische Ideale verstößt. Rassismus nützt am Ende nur den Bossen. Es bringt aber nichts, mit moralischen Predigten gegen Rassismus, Homophobie und andere Spaltungsinstrumente vorzugehen. Unterdrückung und Diskriminierung haben ihren Ursprung nicht in unterschiedlichen „Narrativen“ oder „Konstrukten“, sondern in den realen Klasseninteressen der Herrschenden. Wir müssen die Spaltung der Arbeiterklasse überwinden, indem wir den Klassenkampf (Streiks und Demonstrationen) für gemeinsame Forderungen organisieren und dabei die Kapitalisten, die Rechten und alle bürgerlichen Parteien bloßstellen.

Das gleiche gilt für die Frauenunterdrückung. Der Kapitalismus funktioniert nur, wenn Reproduktionsarbeit (also Arbeit, die für den Lebenserhalt der Arbeiterklasse notwendig ist, etwa Kochen, Waschen, Putzen, Kinder großziehen und Pflege) unbezahlt erledigt wird. Das machen immer noch in erster Linie Frauen, da sie in der Regel schlechtere Jobaussichten und Bezahlung erwarten und weil sie von Kindesbeinen an vom Staat und der Familie in die Rolle der Hausfrau und Mutter gezwängt werden. In der Folge verrichten Frauen mindestens genau so viel gesellschaftlich notwendige Arbeit wie Männer, bloß werden sie dafür nicht bezahlt und geraten so in ökonomische Abhängigkeit von ihrem Partner. Der Kampf um die Befreiung der Frau ist daher identisch mit dem Klassenkampf. Denn Sparmaßnahmen im sozialen Sektor (Erziehung, Pflege, Ernährung) bedeuten notwendigerweise einen höheren Druck auf die Kleinfamilie und damit auf die Frau. Dabei ist der Unterdrücker und Ausbeuter die Kapitalistenklasse, die diese Kürzungspolitik durchsetzt und die auf die kostenlose Erledigung von Reproduktionsarbeit angewiesen ist, und nicht der männliche Arbeiter.

Ein klarer Klassenstandpunkt ist entscheidend, um alle Ausgebeuteten und Unterdrückten im Kampf gegen die kapitalistischen Zustände zu vereinigen. Dies gilt auch für viele andere politische Themen, z.B. staatliche Repression. Wenn der bürgerliche Staat wieder aufrüstet, neue Polizeiaufgabengesetze beschließt und Geheimdiensten mehr Befugnisse einräumt, dann ist das kein Angriff auf das abstrakte, liberale Ideal der „Freiheit“, sondern eine Vorbereitung seitens der herrschenden Klasse auf größere Klassenkämpfe und Zusammenstöße mit der Arbeiterklasse. So gab es in der Nachkriegsgeschichte immer wieder Manöver von Bundesgrenzschutz und Bundeswehr mit der Annahme einer Bekämpfung inländischer Arbeiteraufstände.

Gemeinsam für den Sozialismus kämpfen

Die Einheit der Arbeiterklasse ermöglicht sich also durch die gemeinsame Stellung im Produktionsprozess. Die gemeinsamen objektiven Interessen bilden den Klassenstandpunkt, der Dreh- und Angelpunkt für alle ökonomischen und politischen Kämpfe ist. Der Zusammenhalt muss jedoch im Kampf um diese Interessen geschmiedet werden. Mit einem Kampf für gemeinsame Interessen erreichen wir nicht nur unmittelbare Verbesserungen. Es entsteht auch ein gemeinsames Klassenbewusstsein. In der Erfahrung lernt die Masse der Lohnabhängigen, wer ihre Verbündeten und wer ihre Gegner sind, welche Methoden zum Erfolg führen und welche Macht in unseren Händen liegt. Ein gewonnener Streik hinterlässt seine Spuren im kollektiven Bewusstsein.

Möglichkeiten für gemeinsame Kämpfe gibt es unzählige: Die Wohnungsfrage genauso wie die Klimafrage und natürlich Tarifrunden, die Rente, die Pflege, prekäre Arbeit, Arbeitslosigkeit und der Kampf um die Verteidigung unserer demokratischen Rechte. Das sind momentan für die breite Mehrheit der Menschen die entscheidenden Probleme. Sie sind Produkt der kapitalistischen Produktionsweise. Das Streben nach Profit schließt bezahlbaren Wohnraum für alle genauso aus wie gute Arbeit und gute Löhne für alle. Nur wenn wir mit dem Kapitalismus brechen, d.h. das Privateigentum an Produktionsmitteln abschaffen und die Banken und Großkonzerne enteignen, können wir eine Wirtschaft aufbauen, die zum Wohle aller funktioniert.

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