Kategorie: Theorie |
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Akademische Linke gegen die Revolution |
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Der für seine „Kapital“-Vorträge bekannte Professor David Harvey sprach sich kürzlich erstmals offen gegen die Revolution und die Überwindung des Kapitalismus aus. Er reiht sich damit in die Kapitulation vieler akademischen Linken, von Noam Chomsky über Angela Davis bis Judith Butler, ein. |
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Der britische Professor und Geograph David Harvey bezeichnet sich selbst als Marxist und gilt als Eminenz für marxistische Ökonomie. Hunderttausende Menschen haben seine Vorträge zu Marx‘ Kapital gehört und sind seinen Leseleitfäden zu marxistischen Ökonomie-Texten gefolgt. Doch dieser scheinbare Lebendbeweis dafür, dass im bürgerlichen Milieu an Unis auch kritische, gar revolutionäre Stimmen, einen Platz haben, hat kürzlich genau das Gegenteil demonstriert: In einer Podcast-Folge seiner „Anti-capitalist Chronicles“ vom Dezember 2019 mit dem Titel „Global Unrest“ sprach er sich offen gegen die Revolution aus. Er ging damit den typischen Weg der „akademischen Linken“ – den Weg des Reformismus. Seine Argumentation lautet im Kern, dass der Kapitalismus „too big to fail“ ist – dass der Kapitalismus heute so allumfassend ist, dass seine Überwindung zu heillosem Chaos und Elend führt, weil wir zu abhängig von kapitalistischer Produktion und Zirkulation sind:
Seine Argumentation beruht auf der falschen Idee, dass zu Marx Zeiten die meisten Menschen auch ohne den kapitalistischen Markt überleben hätten können, da sie sich selbst mit Lebensmittel versorgen konnten, und ein Zusammenbruch des Kapitalismus daher möglich gewesen sei. Wir können nur vermuten, dass er damit wohl Bauernschaft meint, die damals die Mehrheit der Weltbevölkerung darstellte – denn die Arbeiterklasse in den Industriestädten besaß jedenfalls auch damals mehrheitlich keine Schrebergärten. Nach Harveys Logik bedeutet das, dass das für Marxisten revolutionäre Subjekt, die Arbeiterklasse, in der Minderheit sein muss, damit eine Revolution möglich ist! In seinen Augen scheint sie völlig unfähig, die Produktion und Verteilung von Gütern und die Errichtung des Sozialismus sicherzustellen. Dies zeigt deutlich, dass ihm die Kreativität der Arbeiterklasse in revolutionären Situationen völlig unbegreiflich ist. In zahllosen Beispielen der Geschichte – von der Oktoberrevolution, über die bolivarische Revolution, bis hin zur revolutionären Bewegung im Sudan 2019 – sahen wir aber in der Realität, dass die arbeitenden Massen stets aus eigener Kraft begannen, Lebensmittelversorgung, Transport, Selbstverteidigung, ja selbst Kinderbetreuung, Straßenreinigung und noch viel mehr selbstverwaltet zu organisieren, dass also die Arbeiterklasse weitaus besser und ohne die riesige Verschwendung und Ineffizienz eines profitgetriebenen Marktes die Gesellschaft führen kann. Was Harvey stattdessen vorschlägt, ist ein lupenrein bürgerlicher Standpunkt:
Das Programm, das er sich wünscht „ist eines, dass das kapitalistische System so verwaltet, dass wir es davon abhalten, zu monströs zum Überleben zu sein“. Intellektuelles Spiel vs. revolutionäre PraxisIn Harveys Argumenten werden zwei Gründe deutlich, aus denen der Marxismus im universitären Umfeld nicht unverfälscht überleben kann: Die ganze Logik des wissenschaftlichen Betriebs verlangt, dass Philosophie, Methoden und Theorie ausschließlich der Betrachtung der Welt – nicht aber ihrer radikalen Veränderung – dienen sollen. Harvey selbst sagte in einem Interview mit Jacobin Magazine (7.8.2019):
Und er stellt Karl Marx’ persönliche politische Praxis als persönliche Vorliebe, denn als logische Konsequenz und Notwendigkeit dessen Theorien dar: „Marx sagte, dass wir die Welt nicht verstehen, sondern verändern müssen. Aber ich denke nicht, dass seine Praxis darauf hindeutet, dass er kein Interesse am Verstehen und Erklären der Welt hatte…“ und er bleibt folglich beim ersten Teil, dem Versuch des Verstehens der Welt, stehen. Losgelöst von dem Druck der Arbeiterklasse, durch eine Organisation und reale Kämpfe, herrscht an Unis der soziale Druck der Bourgeoisie, vermittelt durch den Dschungel universitärer Bürokratie und des wissenschaftlichen Apparats. Das fehlende Vertrauen in die Arbeiterklasse und sogar der Zweifel an ihrer Existenz ist daher in verschiedenen Schattierungen bei fast allen sogenannten marxistischen Akademikern vertreten. Es war einmal die Arbeiterklasse
Diese Ansichten Harveys kamen nicht völlig aus dem Nichts. In vergangenen Publikationen begann er bereits, die Arbeitswertlehre von Marx umzuinterpretieren (siehe z.B. sein Text „Marx’s refusal of the labour theory of value“) und dem neoliberalen Kapitalismus eine besonders brutale Art der Ausbeutung, die außerhalb der „normalen“ Funktionsweise das Kapitalismus liegt, zu attestieren: die „Akkumulation durch Enteignung [dispossession]“, womit er beispielsweise Landraub, Privatisierungen aber auch das Kreditsystem meint. In beiden Fällen läuft seine Argumentation darauf hinaus, die Rolle der Produktion und der Arbeiterklasse hinunterzuspielen, zugunsten von breiteren, linken und „partikularen“ Bewegungen. Diese altbekannten Töne, aufgetischt als Neuheit (antikapitalistische Politik, ein Novum!) rühren von einem völligen Unverständnis für die Rolle der reformistischen Arbeiterführungen her. Deren Unfähigkeit, Arbeitskämpfe zum Sieg – oder überhaupt – zu führen, ihre Kollaboration mit dem Kapital und die darauffolgende Schwächung und direkte Sabotage der organisierten Arbeiterbewegung wird von akademischen Pessimisten als Verschwinden der Arbeiterklasse oder deren generelle Unfähigkeit, die Gesellschaft zu verändern, interpretiert. Trotz Übelkeit das kleinere ÜbelUnd so reiht sich der „akademische Marxismus“ ein in die lange Liste der Apologeten des Reformismus und Kapitalismus. Dies wird derzeit gerade besonders in der Frage der Präsidentschaftswahlen in den USA überdeutlich, wo eine Reihe von prominenten linken Akademikern offen zur Unterstützung des „geringeren Übels“ Joe Bidens aufrufen (ein Schritt, den Harvey immerhin nicht getan hat). [siehe unsere Position zu den Wahlen im Artikel "Evil vs. Evil"] So erklärte die linke Ikone, Aktivistin und Akademikerin des „marxistischen Feminismus“ Angela Davis: „Es geht darum, einen Kandidaten zu wählen, der am effektivsten unter Druck gesetzt werden kann, um der sich entwickelnden antirassistischen Bewegung mehr Raum zu geben“.
Auch die für antikapitalistische Ansichten bekannte Universitäts-Legende, der Sprachwissenschaftler Noam Chomsky, veröffentlichte kürzlich ein Video, in dem er vor apokalyptischer Soundkulisse das Ende der Zivilisation verkündete – wenn man nicht Joe Biden zum Präsidenten wähle:
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