Arbeiterkontrolle ist genau das, was der Begriff sagt: Die Arbeiterklasse und ihre demokratisch gewählte Vertretung in den Betrieben haben das Recht auf Einblick in die Geschäftsbücher der Firmen. Sie können alle Einnahmen und Ausgaben sowie Entscheidungen des Managements prüfen und kontrollieren.Im „Übergangsprogramm“ von 1938 erklärt Trotzki, dass der erste Schritt in Richtung echter Kontrolle der Industrie die Aufhebung des Geschäftsgeheimnisses sei. Was heute unter Geschäftsgeheimnisse fällt, beispielsweise Buchhaltung und Konten, dient häufig als Rechtfertigung und Vorwand für Angriffe auf die Arbeiterklasse. Zum Beispiel für Lohnkürzungen, Massenentlassungen und Arbeitszeitverlängerung.
Wenn die Chefs zur Rechtfertigung solcher Maßnahmen behaupten, sie seien bankrott oder insolvent oder die Gewinne würden sinken, so dient die Arbeiterkontrolle dazu, die Geschäftsbücher einzusehen und sich ein Bild von der tatsächlichen finanziellen Situation zu machen. Es geht darum, den Schleier zu lüften und den Belegschaften einen Einblick in die Funktionsweise des kapitalistischen Systems zu geben, als Schritt in Richtung Beseitigung dieses Systems.Die unmittelbare Aufgabe der Arbeiterkontrolle sollte sein, die Guthaben, Schulden und Verbindlichkeiten der Firma zu ermitteln. Einerseits im Hinblick auf einzelne Unternehmen, um den Anteil einzelner Kapitalisten sowie der herrschende Klasse als Ganzes am Nationaleinkommen zu bestimmen. Andererseits soll die Arbeiterkontrolle den verschwenderischen Umgang mit der menschlichen Arbeitskraft, das gnadenlose Profitstreben sowie die geheimen Abkommen, Deals, Betrug und Korruption aufzeigen, welche untrennbar mit dem System zusammenhängen.
Trotzki erklärt außerdem, dass die Arbeiterkontrolle über die Industrie eine „Schule der Planwirtschaft“ darstellt, die es den ArbeiterInnen ermöglicht, ein wissenschaftliches Verständnis der Wirtschaft und ihrer Prozesse zu erlangen. So werden sie zu bewusster und demokratischer Planung der Produktion und der gesamten Wirtschaft ermutigt und befähigt. Durch die Erfahrungen mit der Arbeiterkontrolle kann sich die Arbeiterklasse auf die direkte Verwaltung vergesellschafteter Industrien vorbereiten.Daher ist Arbeiterkontrolle kein dauerhaftes Instrument, sondern instabil. Sie läuft auf eine Art Doppelherrschaft in einem Betrieb oder einem Unternehmen hinaus. Sie kann nicht beliebig lange andauern, es sei denn, diese Kontrolle verwandele sich in direkte Verwaltung.
Halbherzige Mitbestimmung im Kapitalismus
Hier wird der Unterschied zwischen der revolutionären Forderung nach Arbeiterkontrolle und Arbeiterverwaltung und der reformistischen, halbherzigen Forderung nach Mitbestimmung deutlich.
Trotzki erklärte in den 1930ern: Wenn im Kapitalismus eine Beteiligung der ArbeiterInnen am Management der Produktion langfristig, stabil und „normal“ sein soll, so beruht diese zwangsläufig auf Klassenkollaboration und nicht auf Klassenkampf. Eine derartige Zusammenarbeit basiert stets auf einem Kompromiss zwischen der Gewerkschaftsführung und dem Management. So wurde in Deutschland die revolutionäre Bewegung der Arbeiterräte von 1918 mit Gewalt zerschlagen und die vorübergehende Doppelherrschaft beendet. Als Zugeständnis blieben die 1920 per Betriebsrätegesetz ins Leben gerufenen Betriebsräte als zahmes Organ der betrieblichen Mitbestimmung mit sehr begrenzten Kontrollmöglichkeiten und der Pflicht, sich dem „Wohle“ der Firma unterzuordnen. Ende der 1920er Jahre entwickelte der Gewerkschaftsbund ADGB Modelle einer weitergehenden Mitbestimmung, die sogenannte „Wirtschaftsdemokratie“. Dabei handelte es sich bei näherer Betrachtung allerdings nicht um Arbeiterkontrolle über das Kapital, sondern um die Instrumentalisierung der Gewerkschaftsbürokratie für die Interessen des Kapitals. Konkret bedeutet das, dass die Arbeiterbürokratie das Kapital stützt und den Klassenkampf in „sichere“ Kanäle leitet.
Und wie sieht es mit dieser Idee der Mitbestimmung in Europa aus? Forderungen nach weitergehender Mitbestimmung und sogar „Wirtschaftsdemokratie“ fanden im Europa der 1970er Jahre breite Unterstützung und wurden teilweise gesetzlich verankert – so etwa 1976 mit einem bundesdeutschen Gesetz zur formal „paritätischen“ und scheinbar „gleichberechtigten“ Mitbestimmung in Aufsichtsräten großer Kapitalgesellschaften. Dies war hauptsächlich eine Antwort auf die wachsende Kampfbereitschaft der Arbeiterbewegung, welche sich in den Ereignissen vom Mai 1968 in Frankreich, den Bergarbeiterstreiks im Großbritannien 1972 und 1974, den Generalstreiks in Italien und Dänemark sowie der Streikwelle ausdrückte, die in den frühen 1970er Jahren über Westdeutschland hinwegfegte.
Die herrschende Klasse war gezwungen, diese Bewegungen durch „sozialpartnerschaftliche“ Maßnahmen einzudämmen und damit die Unruhe in „sichere“ Kanäle zu leiten. Sie hoffte, durch die Einbeziehung der oberen Schichten der Gewerkschaften in die Chefetagen und Produktionsstätten die Effizienz und damit ihre Profite steigern zu können. Tatsächlich finden sich erste Vorbilder dafür schon 1920er Jahren, als der Chemie-Industrielle, ICI-Konzernchef und Parlamentsabgeordnete Sir Alfred Mond die Einbindung der Gewerkschaftsspitzen in eine Art Mitbestimmung vorantrieb (Mondismus) und eine Art „Wirtschaftsdemokratie“ propagierte. Die Mitbestimmung ermöglicht es den Arbeiteraristokraten und Bürokraten, das Management mit Informationen und Vorschlägen der Belegschaft zu versorgen. Wie wir alle wissen, und wie jeder Betriebsratsvorsitzende weiß, sind es die Tag für Tag arbeitenden Menschen, die am besten wissen, wie die Produktion zu laufen hat. Gleichzeitig kann das Management durch die Mitbestimmung Betriebsräte dazu nutzen, unpopuläre Entscheidungen weiter zu reichen. Das kann den Anschein erwecken, als seien die Betriebsräte dafür verantwortlich. Uns es kann sie diskreditieren.
Solche Mitbestimungsorgane sind im Grunde genommen machtlose Gremien, bei denen die Beschäftigten etwas Dampf ablassen können. Mitbestimmung schafft außerdem die Illusion, dass die Belegschaft Einfluss auf die Entscheidungsfindung des Managements habe – mit der Absicht, unabhängige Aktionen der Beschäfigten und ihrer Organisationen zu verhindern. In Deutschland beispielsweise ist es Betriebsräten gesetzlich untersagt, Streiks auszurufen. Damit können Chefs und abgehobene Betriebsräte die Gewerkschaften umgehen und untergraben. Diese Betriebsräte werden ständig den Gewerkschaften entgegengestellt. Die Chefs nutzten die altbekannte Taktik „Teile und Herrsche“, indem sie eine Organisation und Instanz gegen die andere ausspielen, um diese zu schwächen. Diese Mitbestimmung brachte eine neue Schicht von privilegierten Funktionären hervor, welche die Interessen von Management und Eigentümern verinnerlichen.
Und wohin hat all das geführt? Was im Extremfall dabei herauskommt, hat vor einigen Jahren der spektakuläre Korruptionsskandal bei Volkswagen gezeigt. So wurde enthüllt, dass einige führende Betriebsräte mit Sportwagen, Bestechungsfonds und Edelprostituierten gefügig gemacht wurden. Einige Mitglieder des Betriebsrats gaben Millionen Euros aus der Firmenkasse für Luxuswohnungen, Reisen, Autos und geheime Liebschaften rund um den Globus aus. „Die Profiteure dieses großzügigen Unterhaltungsbudgets waren nicht der durchschnittliche Deutsche, sondern eine Handvoll glücklicher VW-Betriebsratsvorsitzender. Jedes große deutsche Unternehmen muss die Belegschaft eine Vertretung wählen lassen, die in die Investitionsentscheidungen einbezogen wird. Es ist ein Schlüsselelement des deutschen Konsensmodells und trägt dazu bei, Streiks in einem Land zu reduzieren, in dem Gewerkschaften nach wie vor eine ernst zu nehmende Kraft darstellen“, schrieb die britische Zeitung „Independent“. Dahin kann Mitbestimmung führen. Abgehobene Bürokraten, die keinen Bezug mehr zur Basis haben, kungeln mit dem Management und den Konzernchefs. Die Interessen der Arbeiterinnen und Arbeiter werden verraten und verkauft gegen Prostituierte, Viagra und Luxusreisen nach Brasilien.
Demgegenüber ist wirkliche Arbeiterkontrolle durch Fabrikkomitees oder Arbeiterräte nur auf der Basis eines intensiven Klassenkampfes möglich. Unter „normalen“ Umständen wird die Bourgeoisie niemals bereit sein, echte Arbeiterkontrolle und damit Doppelherrschaft in den Unternehmen zu dulden. Die Fähigkeit der Arbeiterklasse, Kontrolle über die Produktion durchzusetzen, bestimmt sich aus der Stärke ihrer organisierten Bewegung gegen die Kapitalistenklasse. Echte Arbeiterkontrolle muss den Kapitalisten aufgezwungen werden. Dies geschieht meistens in einer Periode der revolutionären Krise der Gesellschaft, es widerspiegelt die proletarische Offensive und den Rückzug der herrschenden Klasse. Somit geht echte Arbeiterkontrolle mit einer Periode der proletarischen Revolution einher. Im Kampf um echte Arbeiterkontrolle muss die Arbeiterklasse letzten Endes unausweichlich dazu übergehen, die Macht und die Produktionsmittel zu übernehmen. Einzelne Betriebe oder Unternehmen unter Arbeiterkontrolle oder Arbeiterverwaltung können sich nur innerhalb der Schranken der gegebenen Wirtschaft bewegen, das heißt innerhalb der Schranken des Kapitalismus. Es ist nicht möglich, eine Insel des Sozialismus in einem Meer des Kapitalismus zu errichten.
Isolierte Inseln können sabotiert werden
Ein markantes Negativbeispiel ist die Alcan-Schmelzhütte in Jonquière, Québec (Kanada). Alcan ist der Weltmarktführer in der Aluminiumproduktion. Im Frühjahr 2004 wurde plötzlich angekündigt, dass die Schmelzhütte bis 2014 geschlossen werden sollte. In ihrem Verteidigungskampf besetzten die ArbeiterInnen die Fabrik. Sie erfuhren jedoch alsbald schmerzhaft die Sabotage von Seiten des Managements. Daher sperrten sie die Vorgesetzten und Manager vom Gelände aus. Nach der Wiederaufnahme der Produktion wurde berichtet, dass die Produktion höher war, seitdem die Arbeiter die Kontrolle übernommen hatten. Aber das gesamte kapitalistische System konzentrierte sich darauf, den Arbeitskampf zu besiegen. Die Medien und der Staat übten enormen Druck auf die kämpfende Belegschaft aus. Andere Unternehmen weigerten sich, Rohstoffe zu liefern, die für die Aluminiumproduktion benötigt wurden. So ließ die herrschende Klasse die Schmelzhütte aushungern. Letztlich wurde der Kampf leider verloren. (siehe: Workers in Québec seize Alcan smelter)
Einzelne Betriebe oder Unternehmen unter Arbeiterkontrolle, wie die Alcan-Schmelzhütte oder die unter Arbeiterkontrolle stehenden Betriebe in Venezuela, sind mit dem privaten Sektor verknüpft und von ihm abhängig, um dort Produkte einzukaufen oder ihre Produkte zu verkaufen. Sie stehen im Austausch mit dem Markt. Sie sind somit der Gnade des Kapitalismus ausgeliefert. Dies führt logischerweise zu einem Kampf der ArbeiterInnen gegen die Macht des Kapitals. Die Frage von Krediten, Rohstoffen und Märkten zeigt unmittelbar die Notwendigkeit auf, die Arbeiterkontrolle über die Schranken eines einzelnen Unternehmens hinaus auszuweiten. Ein gutes Beispiel dafür ist ALCASA, eine verstaatlichte Aluminiumfabrik in Venezuela. Während der großen landesweiten Unternehmeraussperrung und Blockade 2002-2003 hatten Saboteure die Gaszufuhr zur Schmelzhütte gekappt und damit die Produktion stillgelegt. Die ALCASA-Belegschaft bewaffnete sich, brach zusammen mit den Belegschaften benachbarter Stahlbetriebe durch die Polizeikette und erzwang den Wiederanschluss an die Gasversorgung zur Sicherstellung der Produktion.
Die erdrückende Vorherrschaft des Weltmarkts und die Abhängigkeit jeder Nation vom Welthandel wirft die Frage von Export und Import und die Frage nach der Notwendigkeit der flächendeckenden Arbeiterkontrolle auf nationaler Ebene auf. Dies bringt die zentralen Organe der Arbeiterkontrolle in direkten Konflikt mit den Staatsorganen der herrschenden Klasse. Unsere Auffassung von der Entwicklung der sozialistischen Revolution darf und kann aber nicht mechanisch oder formalistisch sein. Arbeiterkontrolle über die Industrie oder Doppelherrschaft in den Betrieben gehen grundsätzlich mit einer Periode der Doppelherrschaft im Land einher oder lösen diese aus. Doppelherrschaft in den Fabriken und Doppelherrschaft im Staat entstehen natürlich nicht unbedingt an ein und demselben Tag. In manchen Fällen wird sich betriebliche Arbeiterkontrolle vor Beginn der Doppelherrschaft im Staat entwickeln und in anderen Fällen erst danach.
Die dem System von Arbeiterkontrolle und Doppelherrschaft innewohnenden unversöhnlichen Widersprüche werden sich verschärfen und einen kritischen Punkt erreichen, in welchem diese Widersprüche für beide Seiten nicht mehr tolerierbar sind. Doppelherrschaft ist der Zustand des Klassenkampfes, in dem der Klassenwiderspruch sich so akut verschärft hat, dass er die Gesellschaft in zwei sich feindlich gegenüberstehende Lager spaltet. Zwei feindliche Mächte, die eine alt, überlebt und reaktionär, die andere neu, im Aufstieg begriffen und revolutionär. Der einzige Ausweg für die Arbeiterklasse aus dieser Situation besteht darin, die Macht zu übernehmen und entschieden für eine siegreiche Revolution einzutreten. Sonst endet alles mit einer Niederschlagung der Revolution und dem Sieg der Konterrevolution. Um dies zu erkennen, genügt ein Blick auf die unterschiedlichen Ergebnisse und Folgen der Russischen Revolution und der Revolutionen in Deutschland und Italien nach dem 1. Weltkrieg.
Wie in den besetzten Betrieben in Venezuela heute bedeutet Arbeiterkontrolle aber nicht nur Kontrolle über voll funktionierende Betriebe, sondern Kontrolle auch über solche, in denen die Produktion nur teilweise im Gang oder sogar stillgelegt ist, oder auch dort, wo die Belegschaft ausgesperrt ist. Die Aufgabe der Wiedereröffnung von stillgelegten Betrieben unter der Anleitung von Betriebskomitees mitten im Meer des Kapitalismus bedeutet einen Wirtschaftsplan in Angriff zu nehmen. Diese Betriebe müssen mit Rohstoffen versorgt werden und fähig sein, ihre fertigen Produkte zu transportieren und zu verkaufen. Dies führt direkt zur Frage nach staatlicher Verwaltung der Industrie. Wie wir in Venezuela sehen, sind diese staatlichen Betriebe von Sabotage betroffen und nach wie vor der Gnade des Kapitalismus ausgeliefert, sowohl national als auch international. Dies wird wiederum führt direkt zur Frage nach Enteignung der Kapitalisten.
Es geht nicht ohne Verstaatlichung
Daraus lässt sich schließen, dass Arbeiterkontrolle keinen längerfristigen oder „normalen“ Zustand darstellt. Sie ist ein Anzeichen für die Zuspitzung des Klassenkampfes. Daher schreit die Frage der Doppelherrschaft in der Industrie zwingend nach einer Lösung. Als Übergangsmaßnahme in Zeiten der größten Spannungen des Klassenkampfes ist Arbeiterkontrolle eine Brücke zur revolutionären Verstaatlichung der Industrie, was gleichbedeutend mit dem Übergang vom bürgerlichen zum proletarischen Staat ist. Hier ist es wichtig, den Unterschied zwischen Arbeiterkontrolle und Arbeiterverwaltung zu verstehen. Dies ist eine Quelle von historischer Verwirrung und wir müssen uns in dieser Sache klar sein. Arbeiterkontrolle heißt, dass die Kontrolle in den Händen der ArbeiterInnen liegt, aber die Kapitalisten den Betrieb weiterhin besitzen. Arbeiterkontrolle mag vorherrschend und umfassend sein, doch sie bleibt auf die Kontrolle beschränkt.
Leo Trotzki erklärte hierzu 1931: „Die eigentliche Idee dieser Losung ist aus dem Übergangsregime in den Betrieben entstanden, wo Kapitalist und Administration keinen Schritt mehr ohne Zustimmung der Arbeiter tun können, andererseits aber die Arbeiter noch nicht die politischen Voraussetzungen für die Verstaatlichung geschaffen, die technische Leitung noch nicht erobert, die dazu erforderlichen Organe noch nicht gebildet haben. Vergessen wir nicht, daß es nicht nur um die Werksleitung geht, sondern auch um den Produktionsabsatz, die Versorgung der Betriebe mit Rohstoff, Materialien, Neuausrüstungen, Krediten usw.“ (aus: Leo Trotzki: Was Nun – Schicksalsfragen des deutschen Proletariats)
Die tatsächliche Verwaltung der verstaatlichten Industrie erfordert neue administrative und staatliche Institutionen – und vor allem Wissen, praktische Erfahrung und gut funktionierende Organisationsformen. Hierfür ist eine entsprechende Ausbildungs- und Lehrzeit notwendig. In dieser Lehrzeit, sei es vor oder nach der politischen Machtübernahme, hat die Arbeiterklasse ein Interesse daran, die Verwaltung einer erfahrenen Administration zu überlassen und diese unter Arbeiterkontrolle zu stellen. In dieser Übergangsperiode wird die Grundlage für einen Wirtschaftsplan gelegt. Die Arbeiterverwaltung wird von oben ausgeführt, denn sie ist direkt mit der Staatsmacht und dem Wirtschaftsplan verbunden. Während Kontrolle von unten kommt und von Betriebskomitees ausgeführt wird, sind die Verwaltungsorgane zentralisierte Arbeiterräte, also zentralisierte Staatsmacht. Es ist wichtig, darauf hinzuweisen, dass die Betriebskomitees dadurch nicht verschwinden, sondern immer noch sehr wichtig sind, sich jedoch ihre Rolle verändert.
Wir sind keine Syndikalisten. Wir sind nicht dafür, Eigentumsanteile an einzelnen Betrieben den jeweiligen Belegschaften zu übergeben. Eine der grundlegendsten Aufgaben in der sozialistischen Entwicklung der Gesellschaft ist der kollektive, gesellschaftliche Besitz der Produktionsmittel und die Beseitigung des Konkurrenzprinzips in der Gesellschaft – dies beginnt mit der Verstaatlichung der Produktionsmittel. 1917 wurde Trotzki in einem Interview gefragt, ob die ArbeiterInnen die jeweilige Fabrik besitzen sollen, in welcher sie arbeiten, und ob die Profite unter den Beschäftigten aufgeteilt werden sollen. Er antwortete: „Nein, Profite zu verteilen ist eine bürgerliche Idee. Die Arbeiter in einem Betrieb werden angemessen bezahlt. Alle Profite, welche man nicht den Besitzern gibt (die gewöhnlich jährlich 5-6% ihrer Investition zurückbekamen), werden der Gesellschaft gehören.“
Wenn in einem Arbeiterstaat die endgültige Verwaltung der Industrie nicht in den Händen von Arbeiterräten liegt, welche den Staat und die Arbeiterklasse als Ganzes repräsentieren, werden Industrien und Unternehmen weiterhin gegeneinander konkurrieren. Das würde die Koordinierung eines nationalen Wirtschaftsplans unmöglich machen. So würde im Grunde genommen der Kapitalismus fortbestehen. Deshalb sind wir gegen die anarchistische und syndikalistische Idee, dass die Arbeiterinnen und Arbeiter in jeder Industrie ihre jeweiligen Betriebe besitzen sollen. Die Idee von „örtlichem“ Besitz, das heißt Besitz des jeweiligen Betriebs durch die Belegschaft, ändert die ökonomische und soziale Funktion und den Charakter der Firma nicht. Es wäre immer noch ein individueller Betrieb und der befände sich nicht in gesellschaftlichem Besitz. Ein Unternehmen, das der Belegschaft gehört, sei es über ein Genossenschafts- oder Selbstverwaltungsmodell, wäre immer noch ein vom Profit abhängiges kapitalistisches Unternehmen, egal, ob es nun einer Arbeitergenossenschaft mit 12 oder 250 Mitgliedern oder einer Einzelperson gehört. Das ist kein gesellschaftliches Eigentum. Nur die Verstaatlichung der Betriebe unter Arbeiterkontrolle garantiert den gesellschaftlichen und staatlichen Charakter der Industrie.
Das marxistische Programm in Bezug auf Arbeiterverwaltung und eine demokratisch geplante Wirtschaft sieht für die Leitungsgremien aller verstaatlichten Industrien folgende Zusammensetzung vor: Ein Drittel sollte von den betroffenen Belegschaften und zuständigen Branchengewerkschaften gewählt werden, um die Interessen der Beschäftigten vor Ort einzubringen und ihre Kreativität, Wissen und Fertigkeiten nutzbar zu machen. Ein Drittel des Gremiums sollte die Arbeiterklasse als Ganzes repräsentieren und durch den gewerkschaftlichen Dachverband bestimmt werden. Ein Drittel sollte sich den Arbeiterstaat und den staatlichen Wirtschaftsplan repräsentieren.
Siehe auch Teil 2, Teil 3 und Teil 4
Dieser Artikel ist eine gestraffte und durch Hans-Gerd Öfinger ergänzte Übersetzung des folgenden Artikels auf der Seite In Defence of Marxism: Workers’ Control and Nationalization
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