Kategorie: Wirtschaft

Fiskalpakt und ESM bestärken die Diktatur der Märkte

Bundestag und Bundesrat haben mit einer Mehrheit aus CDU, CSU, SPD, FDP und Bündnis 90/Die Grünen dem europäischen Fiskalvertrag und europäischen Stabilitätsmechanismus ESM zugestimmt. DIE LINKE hat als einzige Fraktion geschlossen Nein gesagt.


Inhalt des Fiskalpakts

Die wirtschaftliche Krise in Europa entwickelt ihre eigenen Dynamiken. Um die Krise in ihrem Sinn in den Griff zu bekommen hat das deutsche Bürgertum den „Vertrag über Stabilität, Koordinierung und Steuerung in der Wirtschafts- und Währungsunion“ (kurz: Fiskalpakt) initiiert.

Der Fiskalpakt zwingt die Vertragsstaaten dazu ihr strukturelles Defizit (in das die konjunkturellen Schwankungen nicht eingerechnet werden) unter eine Grenze von 0,5% des Bruttoinlandsprodukts (BIP) zu drücken und die Staatsschuldenquote schrittweise auf 60 % des BIP zu reduzieren. Stellt die EU-Kommission eine Verletzung dieser Regeln fest, wird automatisch ein „Korrekturmechanismus“ ausgelöst.

Von verschiedenen Seiten (LINKE, ATTAC u.a.) hagelt es Kritik aufgrund der demokratiepolitischen und wirtschaftlichen Probleme, die der Fiskalpakt mit sich bringt – und dies zu Recht. Der Fiskalpakt ist in der Tat kein EU-Vertrag, sondern ein völkerrechtlicher Vertrag, der von 25 der 27 EU-Länder unterzeichnet wurde. Großbritannien und Tschechien verweigerten die Unterschrift. Trotzdem ist der Europäische Gerichtshof die letzte Kontrollinstanz und kann Sanktionen verhängen, die im Grunde genommen nicht einmal konkret festgelegt wurden. Die EU-Kommission bekommt Durchgriffsrechte auf die einzelnen Staaten und den nationalen Parlamenten wird quasi die Budgethoheit entzogen.

Ein weiteres Problem entsteht auf der wirtschaftlichen Ebene. „ExpertInnen“ der EU verordnen Staaten einen strikten Sparkurs bei öffentlichen Ausgaben, um das Budgetdefizit auf unter 3% zu senken. Regierungen in beispielsweise Griechenland und Spanien sind mit den Kürzungen im Bildungs-, Sozial- und Gesundheitssystem diesem Vorhaben einen Schritt näher – mit den damit einhergehenden sozialen Problemen. Nur entsteht dabei ein ganz anderes Problem: Die Kürzungen wirken sich direkt auf die Kaufkraft der Bevölkerung aus, die Wirtschaft (also das Bruttoinlandsprodukt) schrumpft und die Staatsschuldenquote im Vergleich dazu steigt. Damit würde das genaue Gegenteil von dem erreicht werden, was im Fiskalpakt bezüglich der Staatsschuldenquote festgelegt wurde. Sparen hat noch niemals die Wirtschaft angekurbelt. Das alleinige Ziel der Ausgabenkürzungen ist es die dabei freigewordenen Summen zur Schuldentilgung zu verwenden (siehe Anpfiff zum Euro-Endspiel).

Europäischer Stabilitätsmechanismus

ESM heißt der neue Euro-Rettungsschirm. Er verfügt über ein Grundkapital von insgesamt 700 Mrd. Euro. Lediglich einen kleinen Teil davon (80 Mrd. Euro) müssen von den einzelnen Euro-Staaten direkt eingezahlt werden, für den Rest übernehmen sie Haftungen. Grundsätzlich kann aber der ESM sein Grundkapital selber erhöhen. Dies passiert über eine Entscheidung des Gouverneursrats des ESM, indem alle FinanzministerInnen der teilnehmenden Länder vertreten sind.

Der ESM tritt in Kraft wenn Euroländer ihre Schulden nicht mehr selber finanzieren können. Brauchte man im letzten Euro-Rettungsschirm EFSF noch einen lästigen Zwischenschritt über die Staatsfinanzen, so können durch den ESM aufgrund eines Beschlusses des letzten EU-Gipfels Banken direkt finanziell unterstützt werden. Es wird also offensichtlich wie der Hase läuft – die Diktatur der Banken und Finanzmärkte wird immer unverschämter und holt sich das Geld nun direkt von den europäischen SteuerzahlerInnen.

Gleichzeitig kann der ESM auch Staatsanleihen von maroden Staaten kaufen. Dies ist jedoch an Konditionen gebunden, die garantieren sollen, dass „Reformen zur Sanierung der Staaten“ eingeleitet werden. Ein Blick nach Griechenland zeigt, dass es sich bei diesen Auflagen um ähnliche Mechanismen handelt wie sie der IWF mit den berühmt berüchtigten Strukturanpassungsprogrammen in afrikanischen Ländern oder in Form von „Schocktherapien“ in lateinamerikanischen Ländern umsetzt. Ähnlich wie beim Fiskalpakt kann der ESM bei Ländern, die um Hilfe bei diesem Rettungsschirm ansuchen, direkte Einflussnahme auf die nationale Haushaltspolitik nehmen.

Es lässt nichts Gutes vermuten, wenn das Personal und die Finanzmittel des ESM volle rechtliche Immunität genießen und deshalb juristisch nicht belangt werden können. Außerdem gibt es keinerlei Kontrolle durch das Europaparlament oder den EU-Rechnungshof. Selbst die unzureichenden Kontrollinstanzen der bürgerlichen Demokratie werden über Bord geworfen.

Zentrum und Peripherie

Bereits Marx beschreibt die Tendenz von Unternehmen („Kartelle und Trusts“) zur Monopolbildung, also der Konzentration des Kapitals in immer weniger Händen. Lenin beschreibt in seinem Buch „Der Imperialismus als höchstes Stadium des Kapitalismus“ die Aufteilung der Welt unter die Kapitalistenverbände und Großmächte. Was wir in Europa in den letzten Jahren gesehen haben ist also kein neues Phänomen.

Zuerst gelang es Frankreich und Deutschland die ökonomisch schwächer gestellten EU-Staaten unter ihre Fuchtel zu bringen. Nun ist auch Frankreich zusehends ins Hintertreffen gegenüber Deutschland geraten. Im Zuge der Krise wird die Aufteilung in ein wirtschaftliches Zentrum (Deutschland und seine wirtschaftlichen Satellitenstaaten wie Österreich und die Niederlande) und der Peripherie („PIGS-Staaten“, nun auch Frankreich) immer mehr einzementiert. Vor diesem Hintergrund sind auch Fiskalpakt, Fiskalunion, ESM, Wirtschaftsregierung und das Vorhaben, eine echte politische Union zu gründen, zu betrachten. Der Umstand, dass der deutsche Kapitalismus an der Spitze dieses Prozesses steht hat damit zu tun, dass er sich in den letzten Jahrzehnten und nochmals verstärkt kurz vor der Krise in eine bessere Ausgangslage gebracht hat und über eine stärkere ökonomische Basis verfügt als die anderen EU-Staaten. Diese Ungleichgewichte materialisieren sich jetzt in der Krise, da alle Staaten gezwungen sind, ihre Karten auf den Tisch zu legen (siehe wiederum Anpfiff zum Euro-Endspiel).

Seit der Einführung des Euro war es von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus betrachtet problematisch, dass die Eurozone zwar eine Währungs- aber keine Fiskalunion ist. Es entstehen besondere Fliehkräfte, wenn ein Staatenbund zwar eine gemeinsame Währung besitzt, die Ökonomien der jeweiligen Länder sich aber in verschiedene Richtungen entwickeln. Mechanismen wie Währungsauf- oder -abwertungen, die von Staaten normalerweise verwendet werden um wirtschaftliche Ungleichgewichte zu korrigieren, sind in einer Währungsunion nur als Ganzes möglich.

Jüngst preschte eine Gruppe von zehn EU-Außenministern (darunter Deutschland, Österreich, Italien, Spanien) mit einem Umbauplan für die EU vor. Die sogenannte „Zukunftsgruppe“, die von Außenminister Guido Westerwelle initiiert wurde, schlägt ein bundesstaatliches Modell ähnlich jenem der Vereinigten Staaten von Amerika vor. Die Union soll ein parlamentarisches Zweikammersystem mit einem direkt gewählten EU-Präsidenten bekommen. Dieses Modell würde die derzeitigen Staats- und Regierungschefs entmachten.

Das Ziel dieses Vorschlages ist es die Währungsunion „irreversibel“ zu machen. Außerdem soll ein gesamteuropäischer Grenzschutz aufgebaut werden, eine gemeinsamen Außen- und Sicherheitspolitik verfolgt und eine EU-Armee geschaffen werden. Die EU-Kommission (dann gleichzusetzen mit einer Regierung) soll direkte Kontrolle über die nationalen Haushalte erhalten. Mit Verträgen wie dem Fiskalpakt und den Initiativen für eine Fiskalunion seitens von Bundeskanzlerin Angela Merkel soll dieses Projekt vorbereitet werden.

All diese Vorhaben sind keine Ideen, die ein paar außer Rand und Band geratener Kapitalisten in Berlin ausgeheckt haben, sondern die logische Konsequenz der Spielregeln des Kapitalismus, der derzeitigen Wirtschaftskrise und von dieser nicht deshalb nicht abstrahierbar. Für sich allein genommen ist jeder europäische Staat zu schwach um mit den restlichen Wirtschaftszentren am Globus zu konkurrieren, weshalb seit Jahrzehnten der Integrationsprozess in Europa vorangetrieben wird (siehe Die Krise des Euro und die Verwirrung in der Linken). Die „Europäische Integration“ ist jedoch ein Euphemismus, denn dabei handelt es sich nicht um ein Vorhaben, bei dem am Schluss alle EU-Staaten ein gleichgroßes Stück vom Kuchen bekommen, sondern um die wirtschaftliche Unterwerfung der Peripherie unter das Zentrum.

Projekt mit unsicherem Ausgang

Aufgrund der weltweiten wirtschaftlichen Dynamiken sind die herrschenden Klassen in Europa gezwungen näher aneinanderzurücken, oder besser gesagt muss sich das Bürgertum schwächerer Staaten dem stärkerer Ökonomien unterwerfen, damit die EU als ganzes konkurrenzfähig ist – ob sie wollen oder nicht. Gleichzeitig ist die herrschende Klasse in Europa kein Einheitsbrei – ja nicht einmal die herrschende Klasse im Zentrum bzw. innerhalb eines Landes ist in sich geschlossen – sondern ihre verschiedenen Teile haben unterschiedliche Interessen, weshalb sich rund um die Vorschläge zur Fiskalunion Flügelkämpfe innerhalb des Bürgertums entsponnen haben. Beispielgebend dafür sind die Meinungsverschiedenheiten zwischen einerseits Merkel und andererseits Hollande-Monti-Rajoy.

Wenn eine wirkliche Fiskalunion tatsächlich kommen sollte, dann kann dies derzeit nur unter der Herrschaft des deutschen Kapitalismus passieren. Ob jedoch die Idee der „Zukunftsgruppe“ bezüglich des Umbaus der EU zu einem Bundesstaat bis zur Fertigstellung umgesetzt werden kann, wagen wir zu bezweifeln. Es bleibt ein lebendiges Spiel der Kräfte, abhängig von den verschiedenen nationalen Interessen des Bürgertums und auch davon, ob der Euro vorher auseinanderbricht. Die jetzt freigewordenen Kräfte wirken gegen die Perspektive eines wirklichen Einigungsprozesses. Außerdem ist die EU dem kapitalistischen Wettbewerb auf globaler Ebene ausgesetzt und aufgrund der zurückgebliebenen Integration Europas sind andere Wirtschaftsblöcke wettbewerbsfähiger. Ein EU-Staat würde zu spät auf der Bühne der Geschichte erscheinen. Daran wird ein Vertrag mehr oder weniger nichts ändern – Verträge, an die sich die Staaten wie am Beispiel von Maastricht ersichtlich sowieso in den seltensten Fällen halten. In Wahrheit hinkt die Politik der EU hinter den realen Ereignissen hinterher; und diese waren der Auslöser dafür, dass es bereits zu großen Rückschlägen im Integrationsprozess gekommen ist und noch kommen wird. Beispielgebend dafür fordert die Deutsche Bank bereits den Rauswurf Griechenlands aus der Eurozone.

Und nicht zuletzt hat im lebendigen Spiel der Kräfte der Klassenkampf ein Wörtchen mitzureden. Die Arbeiterklasse in den südeuropäischen Ländern, aber auch in Ländern wie Frankreich oder Großbritannien, hat sich in den letzten Jahren mehrere Male gegen die Umsetzung der Sparpolitik zur Wehr gesetzt. Mehrere Länder der wirtschaftlichen Peripherie sahen bereits Massenbewegungen gegen Einsparungen im Sozial-, Bildungs- und Gesundheitssystem, gegen sinkende Löhne und dem generellen Ausverkauf der sozialen Errungenschaften der Arbeiterklasse des letzten Jahrhunderts. Eine Mehrheit der ArbeiterInnen und Jugendlichen in diesen Ländern weiß genau was sie nicht will und ist auf der Suche nach Alternativen zur derzeitigen Sparpolitik. Viele scheinen in der Politik von François Hollande, dem Gewinner der französischen Präsidentschafts- und Parlamentswahlen, diese Alternative gefunden haben. Er fordert Investitionen in die Wirtschaft, die das Wachstum ankurbeln und somit Arbeitsplätze schafft. Er vertritt eine keynesianisch inspirierte ökonomische Strömung, die auch in der LINKEN tonangebend ist.

Die Lösungsvorschläge für die derzeitige Krise scheinen sehr einfach zu sein. In den 1950er und 60er Jahren investierten die Unternehmen die Überschüsse der privaten Haushalte in Form von Krediten in die Produktion. Damals war es möglich Schulden zu machen, das Profitstreben der Realwirtschaft konnte sich gleichzeitig entfalten und der Sozialstaat wurde obendrein ausgebaut. Das gleiche Rezept solle nun umgesetzt werden. Das einzige Problem sei, dass sich ab den 1970er Jahren die „Spielanordnungen“ der Wirtschaft änderten: die neoliberale Theorie gewann die Oberhand, jener gilt es den Kampf anzusagen.

Hier werden aber völlig die wahren Bewegungsgesetze der kapitalistischen Wirtschaftsordnung verkannt, wenn die heutige Periode mit den 1950ern und 60ern verglichen werden. Damals befand sich die Welt im Nachkriegsaufschwung, der durch mehrere Faktoren begünstigt wurde: dem Marshall-Plan, Investitionstätigkeit in der Industrie, Entstehung neuer Industriesektoren, etc. (vergleiche „Krise, Schulden, Staatsbankrotte“, Rote Reihe Nr. 34, S. 21f). Dieser Aufschwung beruhte noch dazu auf einem Ereignis, das zum letzten Mal eine Überproduktionskrise, die mit der heutigen in ihrem Ausmaß vergleichbar ist, „gelöst“ hatte: der Zweite Weltkrieg. Damals wurden massenhaft Kosum-, Kapitalgüter und Produktionsmittel vernichtet, die anschließend erneut aufgebaut werden mussten. Heute befinden wir uns erst am Anfang einer solchen Krise: noch zu wenige überschüssige Produkte und Industriekapazitäten, noch zu wenig Kapital wurde bisher vernichtet.

Es ist vielmehr eine idealistische Herangehensweise wenn gesagt wird, dass in den 1970er Jahren die „neoliberale Konterrevolution“ gesiegt hat, im Zuge derer die Finanzmärkte dereguliert, die stabilen Wechselkurse aufgeweicht und Finanzinnovationen wie Derivate eingeführt wurden. Dieser Umstand fiel nicht aus heiterem Himmel. Die fallenden Profitraten in der Realwirtschaft hatten zur folge, dass Kapitalisten aufgrund der sinkenden Renditen auf ihre Investitionen sich dem Finanzsektor zuwandten. In der Folge mussten die Finanzmärkte dereguliert werden, um die Renditen noch weiter zu steigern. (Siehe auch „Zwei Seiten einer Medaille: Keynesianismus und Neoliberalismus“, Der Funke Nr. 84) Marxismus ist keine deterministische Wissenschaft, sieht aber letztendlich die Ideenentwicklung in der Ökonomie verwurzelt.

Keynesianische „Lösungsansätze“

Keynesianer quer durch die Bank fordern den Fiskalpakt in der derzeitig vorliegenden Fassung nicht zu ratifizieren. Welcher Fiskalpakt würde ihre Zustimmung finden? Sie fordern „qualitatives Wachstum“, „öffentliche Investitionen“ und die Haushaltskonsolidierung solle überwiegend einnahmenseitig (also durch höhere Abgaben auf Gewinne und Vermögen) und durch „starkes Wirtschaftswachstum“ erfolgen.

Nehmen wir als Erstes die höheren Abgaben auf Vermögen: Wir kämpfen für eine solche Steuer, aber selbst wenn man die restlichen Steuerideen (wie Börsenumsatzsteuer, etc.) hinzurechnen würde, könnte man das Loch nur zu einem kleinen Teil stopfen.

Der zweite Komplex kann wie folgt zusammengefasst werden: Statt zu sparen sollen sich die Staaten noch mehr verschulden. Laut der Theorie von Keynes erzeugen Investitionen Profite. Investitionen haben die individuellen, subjektiven Entscheidungen von Unternehmern als Grundlage. Und diesen Entscheidungen liegen Erwartungshaltungen für Renditen auf die Investition zugrunde.

Der Marxismus analysiert diese Frage genau andersrum: Investitionen basieren auf Profiterwartungen. Profite werden nicht in der Zirkulationssphäre geschaffen – werden also nicht dadurch erzeugt, dass Waren gekauft werden – sondern werden aus der Ausbeutung der unbezahlten Arbeitskraft (dem Mehrwert) geschaffen und vom Kapitalbesitzer angeeignet. Profite werden in der Konsumptionssphäre lediglich realisiert. Im Gegensatz zur subjektivistischen Analyse ist dies eine objektive Analyse basierend auf der Teilung der Gesellschaft in zwei entgegengesetzte Klassen.

Die zur Realisierung möglichen Profite unterliegen dabei einer fixen Größe, je nachdem wie viele Waren erzeugt wurden und Dienstleistungen angeboten werden. Jeder kapitalistischen Krise liegt zu Grunde, dass die Konsumptionsbasis der Gesellschaft kleiner ist als die erzeugten Waren und angebotenen Dienstleistungen (Überproduktion).

Staatsschulden (eine Form von Krediten, also Investitionen mit garantierten Renditen für Kapitaleigentümer) konnten diesem Umstand für eine Weile lang Abhilfe schaffen, indem auf Pump konsumiert wird und so die Profite realisiert werden. Dies ist aber auch nur der Fall für öffentliche Investitionen, die den privaten Investitionen (und Profiterwartungen) nicht in die Quere kommen.

Die Crux ist derzeit, dass jene Mechanismen, mit denen die Bürgerlichen normalerweise aus einer Rezession kommen bereits im letzten Aufschwung verwendet wurden, um diesen künstlich zu verlängern. Dies führte zu einer massiven Aufblähung der Kredit- und Immobilienblasen, die der Reihe nach Platzen. Die Banken leihen sich untereinander weniger Geld – also die Blutzirkulation des Kapitalismus ist ins Stocken geraten – und Immobilienpreise (müssen) fallen. Diese Ebene ist also versperrt.

Die Keynesianer wollen „qualitatives Wachstum“ durch öffentliche Investitionen und noch mehr Staatsverschuldung. Ein „kleines Detail“ am Rande, nämlich dass eine noch größere Verschuldung den zukünftigen Inflationsdruck erhöht, wird geflissentlich verschwiegen. Diese Politik ist also von einem wirtschaftlichen Standpunkt aus naiv. Obendrein sind derzeit alle europäischen Staaten damit beschäftigt ihre riesigen Schuldenberge abzubauen und die europäische Kapitalistenklasse hat sich die Rückzahlung der Schulden als wichtigsten Schlachtruf auf die Fahnen geschrieben.

Die Summe von 120 Mrd. Euro für öffentliche Investitionen, die Hollande im Zuge seines „Wachstumspakts“ ins Spiel bringt, werden die Wirtschaft nicht wieder ankurbeln und sind reine Kosmetik. Man braucht diese Summe nur mit den Staatsschulden, den BIPs der EU-Staaten oder den Bankenrettungspaketen (derzeit insgesamt 4.600 Mrd. Euro) zu vergleichen, um zu sehen, dass sie nur ein Tropfen auf dem heißen Stein ist. Noch dazu ist dieses Geld bereits anderswo verplant! 60 Mrd. Euro an privaten Kredite für Infrastrukturprojekte (also erstens alles andere als „öffentliche Investitionen“, und zweitens war dieser Schritt bereits vor dem „Wachstumspakt“ bekannt und in Planung), 55 Mrd. Euro an noch nicht ausbezahlten EU-Förderungen (die sowieso bereits vorhanden sind und an spezifische Länder gebunden sind) und Projektanleihen für Autobahnen in den Benelux-Staaten (was hilft das dem Wirtschaftswachstum in Griechenland?), usw.
Es stimmt aber auch nicht, dass Kapitalisten kein Kapital für Investitionen hätten. Alleine in der Eurozone sitzen Unternehmen im nichtfinanziellen Sektor auf flüssigen Mitteln von zwei Billionen Euro. Diese Unternehmen werden jedoch nicht im großen Stil investieren, weil sie in der aktuellen Überproduktionskrise eine niedrige oder überhaupt keine Rendite auf ihre Investitionen zurückbekommen. Es liegt aber eben auch nicht in der Natur von privaten kapitalistischen Unternehmen sich ihre Wirtschaftspolitik von der Öffentlichkeit diktieren zu lassen.

Eurobonds

Bleiben als letzter Rettungsanker die von Hollande geforderten Eurobonds. Im Falle des Inkrafttretens von Eurobonds (anstatt des Fiskalpakts) würde sich die Produktion ab 2013 merklich erholen, die Inflationsrate bliebe bei 2% stabil und die Arbeitslosenquote im Euroraum würde auf etwa 9% sinken. In dieser Zahlenarithmetik jedoch nicht eingerechnet sind die ökonomischen und politischen Konsequenzen.

Eurobonds wären Staatsanleihen, die nicht mehr von einzelnen Staaten, sondern von allen Ländern der Eurozone garantiert werden. Damit soll das Problem der mittlerweile extrem Hohen Zinsen auf Staatsanleihen der Peripherie umgangen werden und durch niedrigere Zinsen des Zentrums ausgeglichen werden. Wenn aber nun alle Länder gemeinsam für die Anleihen haften erhöht sich gleichzeitig die Zinsrate für Staaten des Zentrums. Fern von einer Lösung des Problems würde es die Krise noch weiter verschärfen, da Staaten des Zentrums mit den Auswirkungen der Schuldenkrise angesteckt werden. (siehe erneut Die Krise des Euro und die Verwirrung in der Linken)

Dies ist der Grund weshalb sich Angela Merkel querstellt, denn Deutschland würde bei den gemeinsamen Staatsanleihen die Hauptlast tragen. Mittlerweile sind jedoch mehrere Vorschläge für Eurobonds im Raum und es könnte sein, dass sich der Vorschlag von Merkel durchsetzt. Dieser Vorschlag, der unter dem Titel „Eurobonds light“ gehandelt wird, hat wenig mit der ursprünglichen Idee zu tun. Dabei würden trotz gemeinsamer Anleihen die einzelnen Staaten mit ihrem Nationalvermögen und Goldreserven Haftungen übernehmen. Dies würde wiederum das grundlegende Problem der südeuropäischen Ökonomien nicht lösen und wäre das genaue Gegenteil der Eurobonds von Hollande. Darüber hinaus spricht sich die Deutsche Bundesbank gegen jegliche Form von Eurobonds aus.

Ob nun mit Fiskalunion oder Eurobonds die Krise gelöst werden soll, ist ein Konflikt zwischen zwei bürgerlichen Lagern. Es ist nicht die Aufgabe von MarxistInnen Partei für eine der beiden Seiten zu ergreifen, sondern einen unabhängigen Standpunkt der Arbeiterklasse zu formulieren.

Wer Investitionen (wie oben beschrieben worden ist) fordert, muss sich auch die Frage stellen, in welchem Interesse die Wirtschaft und der Staat funktionieren. Man kann nicht planen was man nicht kontrolliert, man kann nicht kontrollieren was einem nicht gehört (das weiß sogar Angela Merkel). Wenn man die Forderung nach Investitionen im Sinne der Allgemeinheit konsequent zu Ende denkt, muss die Frage des Eigentums an Produktionsmitteln und die Frage welche Klasse die Macht im Staat innehat gestellt werden. Nur wenn die Arbeiterklasse in einem Land die Produktionsmittel in die eigenen Hände nimmt, wenn sie den Staat unter ihre Kontrolle bringt, werden Investitionen für die Allgemeinheit möglich. Dies wäre jedoch nur der Startschuss für eine noch größere Aufgabe. Die engen Grenzen des Nationalstaats können nur gelöst werden, wenn die ArbeiterInnen anderer Länder es ihnen gleich tun und die international miteinander vernetzten Produktionsketten und die Infrastruktur in bewusster, harmonischer Weise organisieren.

Unter kapitalistischen Vorzeichen bedeuten die Vereinigten Staaten von Europa weiterhin Ausbeutung der ArbeiterInnen und Jugendlichen: anstatt von der herrschenden Klasse im eigenen Land, wird dies nun verstärkt von den Spitzen in der EU-Kommission und der herrschenden Klassen des Zentrums geschehen. MarxistInnen sind für die Vereinigung Europas, aber auf Grundlage einer geplanten, demokratischen Wirtschaft.

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