Auf ihre rhetorische Frage, wie die Bourgeoisie Krisen überwindet, antworteten Marx und Engels schon vor über 170 Jahren im Manifest der kommunistischen Partei: „Dadurch, daß sie allseitigere und gewaltigere Krisen vorbereitet“. Ob nun eine Lungenentzündung oder Kapitalismus, eine verschleppte Erkrankung wird nur schlimmer. Unter diesem Schlagwort lässt sich die Krisenpolitik der Bundesregierung zusammenfassen.
Kurzarbeit
Es gibt mehrere Maßnahmen, welche alle dasselbe Ziel haben: eine vorübergehende Beruhigung der krisengebeutelten Wirtschaft. Damit wird aber der Sturm von übermorgen gesät. Als erstes muss das Kurzarbeitergeld genannt werden, das ein gigantisches staatliches Subventionsprogramm für die Kapitalisten ist. Damit werden die Lohnkosten zu 60 bis 87 Prozent aus den Rücklagen der Bundesagentur für Arbeit und somit aus den Beiträgen der abhängig Beschäftigten übernommen, um Entlassungen zu verhindern. Nach den letzten Beschlüssen wird das Kurzarbeitergeld nun bis maximal 21 Monate ausgezahlt, also bis Ende 2021.
Der Staat handelt hier im kapitalistischen Gesamtinteresse, die Folgen der Krise abzuschwächen. Ohne Kurzarbeitergeld wären Konzerne und Geschäfte gezwungen, ihre verkaufsbedingten Verluste mit einer Reduzierung ihres variablen Kapitals – also der Löhne – auszugleichen. Das hat man im unregulierteren Ausland gesehen, vor allem in der USA. Dort wurden frei nach dem kapitalistischen Motto „hire and fire“ – „einstellen und entlassen“ – direkt mit Beginn der Krise und des Lockdown viele Arbeiterinnen und Arbeiter entlassen. Nach einigen Monaten wurden meistens sogar genau jene vorher Entlassenen wieder eingestellt. Die Zeit dazwischen war für den Kapitalisten günstig und die gesamte Belastung traf die (zwischenzeitlich nicht mehr) Arbeitenden. Es bleibt also ungewiss, was nach dem Auslaufen des Kurzarbeitergeldes folgt. Massenentlassungen sind somit auch im Lande der „sozialen Marktwirtschaft“ absehbar.
Insolvenzaussetzungsgesetz
Doch die Kürzung der Löhne oder Entlassungen in einem Unternehmen ist kein Allheilmittel. Ohne Arbeiterinnen und Arbeiter wird ja nichts produziert. Wenn nun die Wirtschaftsrechnung trotzdem nicht aufgeht, muss Insolvenz angemeldet werden. Ein natürlicher Prozess in der kapitalistischen Wirtschaft. Ineffiziente Kapitalisten - also solche, welche die Arbeiterinnen und Arbeiter nicht stark genug ausbeuten und aus ihnen nicht genug Mehrwert pressen - gehen unter. Dies wurde in den letzten Jahren schon immer mehr unterbunden, indem sich Unternehmen mit billigen Krediten über Wasser halten konnten.
Laut der Wirtschaftsauskunftei Creditreform waren schon Ende 2019 knapp 295.000 Firmen als nicht kreditwürdig eingestuft. Durch die Verschärfung der kapitalistischen Krise musste diese Prognose auf 550.000 nach oben korrigiert werden. Mit der verlängerten Aussetzung der Pflicht zum Insolvenzantrag bei Überschuldung bis Ende des Jahres wird die Zahl der Zombie-Unternehmen weiter steigen. Bei Zahlungsunfähigkeit muss wieder seit Oktober Insolvenz angemeldet werden.
Gefährliche Kettenreaktionen mit Anschlussinsolvenzen von „gesunden“ Unternehmen können die gesamte wirtschaftliche Lage noch weiter verschärfen. Bei diesem Szenario wird davon ausgegangen, dass Bestellungen und Verträge von Zombie-Firmen nicht beglichen werden können und dadurch Untergangsreaktionen in den betroffenen Industriezweigen auslösen.
Verschleppung als Lösung!?
Im ZDF Morgenmagazin vom 25.08. bestätigte Marcel Fratzscher, Leiter des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), die Krisenperspektive. „Die Stabilisierung der Beschäftigung als eigentlich das wichtigste Ziel in einer solchen Krise neben der Vermeidung von Unternehmensinsolvenzen“. Ist temporäre Vermeidung nicht Verschleppung? Er gibt selbst zu, dass man sich in Zukunft auf mehr Insolvenzen einstellen muss. Nur bitte doch nicht jetzt sofort, denn das Ärgernis der Arbeiterinnen und Arbeiter über ihren Jobverlust und anschließende Klassenkämpfe ängstigt die Bourgeoisie.
Die laufenden betrieblichen Auseinandersetzungen in der Auto- und Zulieferindustrie, den Chemieunternehmen, in der Hotel- und Gastrowirtschaft, im Handel und im öffentlichen Dienst zeigen die große Bereitschaft zu kämpfen. Ein aggressiver Kahlschlag durch das Kapital würde eine heftige Gegenreaktion der Lohnabhängigen nach sich ziehen. Eine Konfrontation, die sich weder die Regierungsparteien noch die Kapitalisten vor der Bundestagswahl im nächsten Jahr erlauben können. Daher muss die Bundesregierung - der Staat - als ideeller Gesamtkapitalist den Klassenkompromiss des Kurzarbeitergeldes anbieten.
Nach bestätigten Zweitinfektionen mit dem Corona-Virus ist es eine utopische Hoffnung, dass die Nachfrage sich wieder normalisiert und dadurch wird es für eine kapitalistische Regierung unmöglich sein, die Krise durch Abwarten zu überwinden.
Realistisch sein und das „Unmögliche“ versuchen
Die kapitalistische Gesellschaft steckt in einer tiefen Krise. wir brauchen keine kosmetischen, oberflächlichen Reformen, sondern einen grundlegenden Umbau. Entlassungen dürfen nicht akzeptiert werden. Stattdessen müssen die Geschäftsbücher offengelegt und alle Möglichkeiten dagegen ausgeschöpft werden. Gemeinsam können wir planen, was produziert werden muss und wie in dieser neuen Wirtschaftsordnung kein Mensch durch das Corona-Virus gefährdet werden. Die Krankheit Kapitalismus darf nicht länger verschleppt werden, wir brauchen eine Revolution!
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