Das deutsche Kapital hat sich 2007 im verschärften internationalen Konkurrenzkampf behauptet. Die deutschen Großkonzerne können auf das vierte Rekordgewinnjahr in Folge zurückblicken. Während der Nettogewinn der 30 größten, im Deutschen Aktienindex (Dax) gelisteten Unternehmen 2007 um knapp 15 Prozent wuchs, erreichen die europäischen und US-amerikanischen Konkurrenten allenfalls halb so große Werte. Insgesamt erhöhten die Dax-Konzerne ihre Gewinne binnen fünf Jahren um mehr als 60 Prozent - das schaffte kein anderes Industrieland. Den Aktionären der Dax-Unternehmen winkt eine Rekorddividende von 27,7 Milliarden Euro, vier Milliarden Euro mehr als 2006.
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Deutschland gilt als das wettbewerbsfähigstes Land in Europa. Kein anderes EU-Mitglied hat in den vergangenen vier Jahren seine Konkurrenzfähigkeit so stark steigern können. Hauptursache hierfür ist die Schwächung und Einbindung der Gewerkschaften. Die Steigerung der Profite wurde auf Kosten der Löhne und somit auf dem Rücken der Arbeiterklasse erkauft. Denn nirgendwo in der EU fällt der Anstieg der Reallöhne so gering aus wie in Deutschland. Nun sollte man meinen, dass sich das Kapital zurückhält. Doch es bläst zur nächsten Runde und fordert weiteren Sozialabbau. Auch die Wirtschaftsinstitute mahnen vor einem Nachlassen der „Reformpolitik“.
Der Bundesregierung passt es nicht, wenn in der Aufschwungseuphorie ständig „Nörgler“ die „positive“ Entwicklung in Frage stellen. Der kritischer Ansichten unverdächtige Bundespräsident Köhler stellt jedoch fest: „Vergleichsweise wenige erfreuen sich enormer Einkommenszuwächse, während die Einkommen der breiten Mittelschicht in Deutschland stagnieren oder real teilweise sogar sinken.“ Es ist auch an den politischen Vertretern nicht spurlos vorbeigegangen, dass in den letzten fünf Jahren, in denen sich die Finanzanleger über jeweils zweistellige Wertsteigerungen und Spitzenmanager teilweise über zweistellige Gehaltserhöhungen freuen konnten, die allgemeinen Lohnzuwächse so gering ausgefallen sind, dass sie fast vollständig von der Inflation aufgezehrt wurden. Die Verteuerungen, angetrieben von der Mehrwertsteuererhöhung, und Einkommenseinbußen traf jene Haushalte (ein Drittel) am härtesten, deren Einkommen ohnehin kaum zur Deckung der Grundbedürfnisse ausreicht: Geringverdiener, Alleinerziehende und Alleinverdiener mit Kindern sowie Rentner.
In dieser Entwicklung sieht das Sprachrohr des Großkapitals, die Frankfurter Allgemeine Zeitung (FAZ), eine Gefahr für die bürgerliche Demokratie. Zu den oben erwähnten Verlierern des „Aufschwungs“, gesellen sich vermehrt Arbeitnehmer mit Bruttolöhnen zwischen dreißig- und sechzigtausend Euro im Jahr, an denen der Aufschwung bislang weitgehend vorübergegangen ist. Die Gefahr besteht nun für die FAZ darin, dass neben dem ersten Drittel nun das zweite Drittel der Gesellschaft die Grundlagen des deutschen politischen und wirtschaftlichen Systems in Frage stellt. Das Thema „Soziale Gerechtigkeit“ dürfe man, so die FAZ, nicht als „gefühltes“, also eingebildetes Problem darstellen. Dieses Thema wird auch die Landtagswahlen bestimmen. Die SPD will sich deshalb an die Spitze der Bewegung für soziale Gerechtigkeit stellen. Aber außer der Verlängerung des Arbeitslosengeldes I für Ältere haben sich die einstigen Rufe nach einer Anpassung der Hartz IV-Sätze und einer Korrektur der Agenda 2010 als Luftblasen erwiesen. Mit der Unterschriftenkampagne für die Einführung eines allgemeinen Mindestlohns will die SPD im hessischen Landtagswahlkampf in der Arbeiterklasse punkten und der Linken das Wasser abgraben.
Die FAZ warnt vor einer Gefahr eines Wettbewerbes „Wer bietet mehr?“ und sieht die SPD dabei als Getriebene der Linken. Dem Linksruck der Gesellschaft liege, so die FAZ, ein „diffuses Bedürfnis“ nach mehr Gerechtigkeit zugrunde. Es gebe ein Unbehagen über die Funktionsfähigkeit der demokratischen und marktwirtschaftlichen Institutionen. Was schlägt der Leitartikler der FAZ vor?
Korrekturmechanismen müssten die Auswüchse in die eine oder andere Richtung verhindern. Bis zum Mauerfall habe der Kommunismus diesen Korrekturmechanismus dargestellt, d.h. die Systemkonkurrenz bändigte den Kapitalismus. Die Marktwirtschaft sei aus sich heraus aber ebenso wenig gegen Selbstzerstörung gefeit wie totalitäre Systeme. Es sei aber notwendig, die eingebauten Bremsen immer wieder zu überprüfen und zu warten. Die Lösung entnimmt die FAZ vom Bundespräsidenten Köhler, der in einem Artikel in der selben Zeitung von der Notwendigkeit der Ungleichheit in einer Gesellschaft propagierte, damit diese ihre Vitalität erhalte und sich weiterentwickeln könne. Die treibenden Kräfte dieser Weiterentwicklung seien die Eliten. Der Leitartikler der FAZ fordert daher die deutschen Eliten auf, die Systemfrage zu stellen, bevor es andere tun. Soweit die Strategie des Großkapitals.
Eine Gesellschaft, in der eine kleine Minderheit über das Schicksal von über 80 Prozent der Bevölkerung bestimmt und die nicht in der Lage ist, die drängenden sozialen Probleme zu lösen, vielmehr diese weiter zuspitzt und ganze Gesellschaftsgruppen auf das Abstellgleis führt, hat keine Existenzberechtigung. Die Vertreter dieser herrschenden Klasse sind Überzeugungs- und Wiederholungstäter und kein Korrekturmechanismus auf der Welt wird diese Herren von ihrem Ausüben ihres Jobs behindern können: Profitmaximierung auf dem Rücken der Allgemeinheit und der Umwelt. Deshalb sollten alle Lohnabhängigen, Arbeitslosen, SchülerInnen und Studierenden die Systemfrage stellen, denn dieser Elite können wir die Zukunft unseres Planeten nicht anvertrauen
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