Ende Januar fand eine verspätete Kreistagssitzung mit den Haushaltsberatungen des Landkreises Mühldorf (Oberbayern) statt. Noch steht der Landkreis mit guten Einnahmen aus den einzelnen Gemeinden da, doch für das Haushaltsjahr 2022 haben einige Fraktionen bereits ein Spardiktat angekündigt.
So sagte der CSU-Fraktionsvorsitzende, dass „mehr denn je in diesem Jahr Fingerspitzengefühl, Mut und Zuversicht bei der Verwaltung der Gelder“ gefordert [seien] und dementsprechend „jede Ausgabe auf den Prüfstand zu stellen“ sei. Ähnlich sieht dies die AfD-Fraktion, die schon für das Haushaltsjahr 2021 „Einsparungen“ vermisst. Im Sinne einer „strikten Haushaltsdisziplin“ sind sich Die Grünen einig, dass man in der Verantwortung stehe, „sparsam und verantwortlich zu wirtschaften“.
Genauer genommen werden mit solchen Beschönigungen seitens der angesprochenen Fraktionen Sozialkürzungen und mögliche Privatisierungen verharmlost. Zwar versuchte die SPD-Fraktion, sich dem zu widersetzen, in dem sie die momentane Armutsentwicklung skandalisierte. Doch sie trägt selbst dazu bei: Mittels ihrer Zustimmung zum diesjährigen Kreishaushalt tragen die SPD-Kreistagsmitglieder 48 befristete prekäre Arbeitsverhältnisse im Landratsamt, die Privatisierung der Reinigung an Schulen sowie die Abwälzung von ÖPNV-Kosten auf die Oberstufenschüler mit. Einzig und allein der Verfasser dieses Textes, der dem betroffenen Kreistag für die LINKE angehört, stimmte gegen den diesjährigen Kreishaushalt.
Bundesweites Phänomen
Dass aufgrund der schwierigen Finanzlage nicht nur die Alarmglocken der Rathäuser sowie Landratsämter in der bayerischen Provinz, sondern in ganz Deutschland schrillen, ist kein großes Geheimnis. So fasste der Hauptgeschäftsführer des Deutschen Städtetages, Helmut Dedy gegenüber der Rheinischen Post die schwierige Finanzlage etlicher Kommunen in Deutschland zusammen: „Allein in diesem Jahr müssen wir mit einem kommunalen Defizit von bundesweit mindestens 7,5 Milliarden Euro rechnen. In den kommenden vier Jahren zusammengenommen drohen sogar Defizite für die Kommunen in Höhe von 35 Milliarden Euro. Durch den Lockdown wird es noch schlimmer, weil die Ausfälle bei der Gewerbesteuer wahrscheinlich steigen werden.“
Die Defizite und verlorenen Einnahmen im Haushaltsjahr 2020 führten in vielen Kommunen zu einer immensen Neuverschuldung. Die Bundesregierung sowie Landesregierungen kommen diesem Problem kaum entgegen, weswegen die Mehrheit der bürgerlichen Politiker in den kommunalen Ratsgremien Privatisierungen und Sozialkürzungen als Allheilmittel zur Überwindung der Finanzkrise in Städten und Landkreisen propagiert. Die Beratungen zu den Haushalten sind eine Ankündigung für den Kahlschlag sozialer und freiwilliger Leistungen etlicher Gemeinden in ganz Deutschland, der schon an vielen Orten läuft. So wurden im ersten Corona-Jahr 2020 bundesweit 20 Krankenhäuser geschlossen, Pläne für neue ÖPNV-Linien und Schulen verworfen und das Bädersterben verschärft – zumal in den letzten Jahren durchschnittlich 80 Schwimmbäder jährlich geschlossen wurden und dementsprechend diese Zahl in Zukunft deutlich höher sein kann. Damit droht die Zahl der Nichtschwimmer zu steigen und sind Badeunfälle vorprogrammiert.
Besonders schlimm sieht es übrigens mit den Kommunalfinanzen im SPD-geführten Rheinland-Pfalz aus. Während die alte und neue Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) rechtzeitig für die Landtagswahl am Sonntag ihr Image als besorgte Landesmutti erfolgreich poliert hat, ist die Unterfinanzierung der Kommunen durch das Land hier seit vielen Jahren ein Riesenproblem. Elf der 20 am höchsten verschuldeten deutschen Städte liegen in Rheinland-Pfalz mit seinen vier Millionen Einwohnern. Der Verwaltungsgerichtshof Koblenz hat dies auf Antrag betroffener Städte bestätigt und eine Neuregelung der Kommunalfinanzen bis 2023 angeordnet.
In den letzten Tagen hat ein weiterer Skandal im Zusammenhang mit den Kommunalfinanzen aufhorchen lassen. So haben nach Medienberichten offenbar viele Kommunen bundesweit ihre Rücklagen jeweils in Millionenhöhe bei der Bremer Grensill Bank angelegt. Dazu gehören nach Medienberichten auch Wiesbaden, Gießen, Hanau sowie Schwalbach und Eschborn (bei Frankfurt am Main). Diese weitgehend unbekannte Bank ist ein Ableger eines britisch-australischen Finanzkonzerns und hat je nach Umständen den Kommunen für Geldeinlagen und Termingelder für heutige Zeiten relativ hohe Zinssätze zwischen 0,1 und 0,25 Prozent angeboten. Nun hat das Management der Bank Insolvenz angemeldet. Es geht die Angst um, dass die betroffenen Kommunen im schlimmsten Fall nicht mehr an ihr Geld herankommen.
Das „Superwahljahr“ 2021 und DIE LINKE
Dass die voraussichtlichen kommunalen Haushaltsverschärfungen im „Superwahljahr“ 2021 wohl erst nach der Serie von Kommunal- und Landtagswahlen sowie der Bundestagswahl stattfinden werden, kommt vielen bürgerlichen Politikern sehr gelegen. Somit werden sie nicht vor der Bundestagswahl am 26. September 2021, sondern erst im kommenden Winter für den von ihnen eingeleiteten sozialen Kahlschlag verantwortlich sein. Die zukünftigen Regierungsprogramme auf allen politischen Ebenen können der Inbegriff eines Spardiktates nie dagewesen Ausmaßes seit der Agenda 2010 und anderen Sparpaketen um die Jahrtausendwende darstellen. Das kapitalistische System jedoch, das die Kommunen zur Privatisierung und Schließung des öffentlichen Lebens führt, soll jedoch aus Sicht der bürgerlichen Regierungen unangetastet bleiben.
Das Selbstverwaltungsrecht der Kommunen muss geschützt werden, damit ihre übergeordneten Landesregierungen sie nicht zu einer Privatisierungspolitik zwingen. Wo die LINKE in kommunalen Gremien sitzt, darf sie keinem Kürzungshaushalt zustimmen oder diesen gar rechtfertigen oder verteidigen. Die sozialen Auswirkungen der Wirtschafts- und Corona-Krise müssen zu einer Ausweitung der kommunalen Sozialleistungen und sogenannten „freiwilligen Leistungen“ für die soziale Infrastruktur in den Kommunen führen – auf Kosten der Großaktionäre und Konzerne, die durch die Auswirkungen der Pandemie noch reicher geworden sind. Länder und Bund dürfen die Kommunen nicht hängen lassen und zu Kürzungen und Privatisierungen zwingen. All dies geht aber nicht allein, sondern nur zusammen und flächendeckend: DGB-Gewerkschaften, LINKE und Verbündete müssen jetzt, also schon vor der Bundestagswahl den Druck aufbauen, aufklären, mobil machen und ein sozialistisches Programm in die breite Öffentlichkeit tragen.
Wir dürfen uns niemals auf angebliche „Sachzwänge“ und das vorgebliche „Diktat knapper Kassen“ einlassen. Wir brauchen einen gesamtgesellschaftlichen Kassensturz unter Einschluss aller Guthaben von Banken, Konzernen und superreichen Familien mit Milliardenvermögen. Reichtum ist genug da, nur in den falschen Händen. Die Banken müssen verstaatlicht und zu einer demokratisch kontrollierten Staatsbank zusammengefasst werden. So könnten Pleiten wie mit der Grensill Bank vermieden werden und die öffentliche Hand wie auch Kleinsparer geschützt werden. Der Kampf gegen die Finanzkrise in Städten und Landkreisen ist der Anfang einer Perspektive jenseits des Kapitalismus: der Kampf für eine sozialistische Demokratie.
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Quellen:
https://www.staedtetag.de/presse/pressemeldungen/kommunalfinanzen-2021-defizite
https://www.fr.de/hintergrund/klamme-kommunen-90176258.html
https://www.derfunke.de/rubriken/deutschland/2804-schoene-bescherung-abruptes-ende-fuer-corona-krankenhaus
https://assets.ey.com/content/dam/ey-sites/ey-com/de_de/news/2021/01/ey-kommunenstudie-2020-2021.pdf
https://www.dlrg.de/informieren/die-dlrg/rettet-die-baeder/
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