Kategorie: Kapital und Arbeit

Arbeitsplätze werden vernichtet, Aktienkurse steigen

Der Stellenabbau von über 1.000 Arbeitsplätzen bei Wacker Chemie in Burghausen an der Salzach (Oberbayern) ist beschlossen. Dabei sprudeln die Gewinne und schießt der Kurs der Aktie gerade in die Höhe.

Bild: Alf Altendorf


Nun soll das Unternehmen auch noch die Produktion des Corona-Impfstoffs für CureVac übernehmen. Offenbar haben die Gewerkschaft IG BCE und der Betriebsrat den vermeintlich „sozialverträglichen“ Abbau kampflos hingenommen. Die weltweite Mutterfirma Wacker Chemie AG hatte in Burghausen 1916 mit dem Bau des Werks begonnen. So entstand eine proletarische Neustadt mir einer starken Arbeiterbewegung. Mit bisher rund 8.200 Beschäftigten ist Burghausen der größte Wacker-Standort in Deutschland. Burghausen hat 19.000 Einwohner und ist eine der reichsten Städte Bayerns. Das liegt größtenteils an den Gewerbesteuern von Wacker. Ein großer Stellenabbau bei Wacker bedeutet für betroffene künftige Arbeitslose Verarmung. Das schlägt sich auch auf kleinere und mittlere Geschäfte durch.

Wacker ist ein internationaler Konzern mit 24 Standorten in 11 Ländern. 70% des Gewinns bezieht der Konzern mit Herstellung und Verkauf von Polysilicium. Dies ist ein Grundstoff für Solar-Panels. Im Jahr 2019 erzielte Wacker einen Jahresumsatz von 4,93 Milliarden Euro, davon 85% auf dem Weltmarkt. Am 25.November 2020 lag der Kurs der Aktie bei
103,05€. Der Bilanzgewinn lag 2019 bei 1,32 Milliarden Euro.

Der überwiegende Anteil der Aktien befindet sich im Festbesitz und wird kontrolliert durch die Gründerfamilie: die Dr. Alexander Wacker Familiengesellschaft mbH mit 55,65% und die Blue Elephant Holding GmbH (Peter-Alexander Wacker, Clara Wacker) mit 10,86%. Dazu kommen noch weitere Anteile von 4,75%. Im Streubesitz befinden sich 28% des Aktienkapitals. Die virtuelle Aktionärsversammlung hat beschlossen, die Masse des Gewinns an die Aktionäre auszuschütten. Dadurch wird die Familie Wacker etwa um 700 Millionen Euro reicher. Die Zeche dafür sollen die Beschäftigten bezahlen – durch ein knallhartes Sparprogramm, Hauptsache, Gewinn und Dividende steigen.
Erst vor wenigen Tagen hatten die Unternehmen CureVac und Wacker angekündigt, dass Wacker im ersten Halbjahr 2021 mit der Produktion des Corona-Impfstoffs beginnen wird. Der Produktionsstandort wurde auf Amsterdam in den Niederlanden festgelegt.

Manche werden sich fragen, wieso die Arbeitsplätze trotz des Aktienkurses, der nach aktuellem Stand bei 103,05€ liegt, dennoch abgebaut werden und wieso die Aktie so hoch im Kurs liegt. Das entspricht immerhin seit Ende 2019 einer Steigerung um knapp 100% und seit März ca. 150%. Offensichtlich ist der Stellenabbau Grund für dieses Hoch. Auch die Bekanntgabe, den Covid-19 Impfstoff zu produzieren, steigerte den Kurs.

Sozialverträglicher“ Stellenabbau?

Nun sollen 1.200 Stellen abgebaut werden, davon 1.000 allein in Deutschland. Das alles trotz einer Steigerung des Aktienwertes um knapp 150% seit März und der anlaufenden Produktion des Impfstoffs. Der Stellenabbau war bereits seit dem Spar- und Effizienzprogramm und dem Tarifvertrag „Moderne Arbeitswelt“ vom November 2019 vorhersehbar. In diesem lassen sich solche Sätze finden: „
Neue Technologien bieten einerseits Freiräume, andererseits sind gestiegene Belastungen der Arbeitnehmer in einer sich verändernden Arbeitswelt ebenso eine Folge wie wachsender Qualifizierungsbedarf“. Am 20. Februar 2020, also vor dem Beginn der Corona-Krise, teilte die Wacker Chemie AG den Beschäftigten auf einer Betriebsversammlung in Burghausen mit: „Durch mehr intern erbrachte Leistungen sowie eine schlankere Organisation jährlich wollen wir 250 Mio. Euro einsparen. Zentrales Anliegen des Programms ist es dabei, die Organisation von WACKER konsequent neu auf die Bedürfnisse und Anforderungen der Kunden auszurichten und so das profitable Wachstum des Konzerns zu unterstützen“.

Eine technologische Aufrüstung im Verwaltungsbereich bedeutet in der Regel eine theoretische Beschleunigung der Zirkulationsperiode von Produkten, Kapital oder Handel; de facto eine beträchtliche Steigerung des Profits. Doch ist dieser Profit erst dann realisiert, wenn eine gewisse Anzahl an Löhnen nicht mehr bezahlt werden. Genau diese Idee wird nun verfolgt. Sowohl um den Profit zu steigern als auch um die Konkurrenz aus China zu verdrängen. Nun ist klar, für wen die Freiräume und Belastungen dieser neuen Technologien gelten. So zumindest die kapitalistische „Lösung“. Allerdings wäre stattdessen eine Verkürzung der Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich eine wesentlich sozialere Lösung im Interesse aller Beschäftigten. Doch das ist in der kapitalistischen Marktwirtschaft nicht vorgesehen.

Offenbar bevorzugen Gewerkschaft und Betriebsrat die profitorientierte Lösung. Beide sind sie eigentlich für die Vertretung der Arbeiter zuständig. Stattdessen nun ein „sozialverträglicher“ Stellenabbau von 1.200 Arbeitsplätzen. Als „sozialverträglich“ gelten etwa Frühverrentungen, Altersteilzeitregelungen oder Aufhebungsverträge, die nebenbei nicht unbedingt verträglicher sein müssen. Bei einem Aufhebungsvertrag muss kein Betriebsrat gefragt werden, es gilt keine gesetzliche Kündigungsfrist. Außerdem werden einzelne Kolleginnen und Kollegen vom Kollektiv der Belegschaft abgetrennt. Doch ist das „sozialverträglich“?

Der Großteil des Stellenabbaus wird in Burghausen stattfinden. Viele haben ein Haus in der Umgebung Burghausens gekauft, das noch nicht abbezahlt ist. Viele haben Kinder und Schulden. Auch wenn vielleicht einzelne ältere Kolleginnen und Kollegen mit Frühverrentungen glimpflich davon kommen und ihr Haus abbezahlt ist, kann ein Stellenabbau nie „sozialverträglich“ sein. Denn die tarifvertraglich abgesicherten und unbefristeten Stellen fehlen für die jüngere Generation. Doch es gab in den letzten Monaten nicht einmal den Versuch eines Warnstreiks oder sonstigen Kampfes.

Solidarität, Kampf und Belegschaftskontrolle

Wacker ist offensichtlich sowohl bei der Bekämpfung des Corona-Virus wie auch der Klimakatastrophe ein wichtiges Glied in der Kette, da das Unternehmen Impfstoff wie auch Polysilicium für Solar-Panels herstellt. Ein derart systemrelevantes Unternehmen für die aktuelle Krisenbewältigung gehört vergesellschaftet, um Impfstoffe und Solarenergie auch in Zukunft uneingeschränkt für die gesamte Gesellschaft zugänglich zu machen. Bei einem kapitalistischen Unternehmen zählt aber nur der Profit und nicht die Bedürfnisse der Belegschaft und der Allgemeinheit. Die Produktion gehört daher unter die Kontrolle der Beschäftigten, weil nur sie aus der Praxis heraus wissen, wie die Arbeit am besten zu verrichten ist.

Die Erfahrung in unzähligen kapitalistischen Konzernen lässt befürchten, dass es bei dieser aktuellen Abbauwelle und Angriffen nicht bleiben wird. Mit „Sozialpartnerschaft“ und „CoManagement“ kommen wir nicht weiter, sondern dürfen nur über Verschlechterungen „mitbestimmen“. Der Salamitaktik des Managements dürfen wir nicht auf den Leim gehen. Daher ist es dringend geboten, dass sich kämpferische Gewerkschaftsmitglieder zusammenschließen, Schulen und auf die unvermeidlichen künftigen Auseinandersetzungen vorbereiten. Ein Belegschaftskampf um Arbeitsplätze kann immer mit der Solidarität der Mehrheit der Wohnbervölkerung rechnen – dafür gibt es viele Beispiele. Die Arbeiterbewegung in Burghausen hat eine lange Tradition der Solidarität, die wir kennen und verstehen müssen, um die Kämpfe der kommenden Jahre zu gewinnen .

  • Alle Arbeitsplätze müssen erhalten bleiben!

  • Statt Stellenabbau: Verkürzte Arbeitszeit bei vollem Lohnausgleich!

  • Gewerkschaft, Belegschaft und Betriebsrat müssen den Kampf weiter führen!

  • Druck von unten durch eine kämpferische Basisinitiative in Betrieb und Gewerkschaft!

  • Wacker Chemie enteignen, vergesellschaften und unter Belegschaftskontrolle bringen!


Siehe auch:

Für den Erhalt aller Arbeitsplätze bei Wacker Chemie kämpfen
Das rote Burghausen: Die Schlacht beim Glöckelhofer



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