Am 25.11.2021 riefen die Gewerkschaften ver.di und GEW die Landesbeschäftigten in Jena, der zweitgrößten Stadt Thüringens, zum Warnstreik auf. Hintergrund des Warnstreiks waren die Verhandlung um einen neuen Tarifvertrag (TV-L) sowie die bisherige Blockadehaltung der Tarifgemeinschaft deutscher Länder. Bei den über hundert Streikenden wurde deutlich, die Kollegen sind frustriert, wütend und wollen kämpfen.
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Zum Zeitpunkt des Streiks lag den Gewerkschaften noch immer kein Angebot seitens der Tarifgemeinschaft deutscher Länder (TdL) vor. Vielmehr drängten die Finanzminister der Länder darauf, die Eingruppierung der Beschäftigten zu verschlechtern. Sie, die nicht täglich hart arbeiten müssen, haben natürlich leicht reden, wenn sie sowohl die Bezahlung für vollkommen angemessen als auch den krassen Personalmangel für eingebildet halten.
Dementsprechend kämpferisch fielen die Redebeiträge von Beschäftigten und Gewerkschaftsvertretern aus. Betont wurden die gesamtgesellschaftliche Wichtigkeit des Öffentlichen Dienstes und die strukturellen Probleme, welche auch schon vor der Pandemie bestanden haben. Dazu gehören der massive Personalmangel, schlechte Bezahlung, fehlender Nachwuchs und auch die hohe Fluktuation in der Belegschaft. Gewerkschaftsvertreter forderten im Zuge dessen zur finanziell besseren Ausstattung des Öffentlichen Dienstes eine Vermögenssteuer und eine Erbschaftssteuer. Bei all den Entbehrungen der Beschäftigten sollten die Profiteure der Krise endlich ihren Beitrag leisten. Ein Redner sprach wortwörtlich davon, sofern man keinen Tarifabschluss erreichen könne, „muss man den Laden halt einfach abfackeln“. Es sei einfach Heuchelei, wenn Verantwortliche der Meinung seien, warme Worte und Klatschen würden ausreichen. Ebenso wurden die Pläne der zukünftigen Ampel-Koalition kritisiert, das Arbeitszeitgesetz durch sogenannte „Experimentierräume“ aufzuweichen.
Die Situation der Pflegekräfte stand selbstverständlich vor dem Hintergrund der Pandemie besonders im Fokus. Beschäftigte schilderten, wie kritisch die Lage sei: man könne die Versorgung der Patienten nicht mehr sicherstellen. Pflegekräfte bekämen größtenteils viele Patienten nur einmal zu Gesicht, da diese in der Zwischenzeit allzu oft schon verstorben seien. Eine menschenwürdige Versorgung der Patienten könne nicht mehr gewährleistet werden. Das physische und psychische Leid aufseiten der Pflegekräfte und Patienten ist dementsprechend unbeschreiblich. Viel zu viele Kollegen haben seit Beginn der Pandemie trotz der großen Unsicherheiten auf dem Arbeitsmarkt ihren Beruf verlassen, weil es für sie schlichtweg nicht mehr auszuhalten sei. Das erschütternde Fazit des Berichts war, dass im Prinzip das Gesundheitssystem schon kollabiert sei.
Vergleicht man diese Streikkundgebung mit früheren, lässt sich eine klassenkämpferische Stimmung festhalten. Die Beschäftigten sind wütend, und das auch mit voller Berechtigung. Während sie einen übergroßen Teil der Last der Pandemie auf ihren Schultern tragen mussten, sind die Reichen immer reicher geworden. Während der Staat sofort eingesprungen ist, um Großkonzerne zu retten, wurden sie im Stich gelassen. Die Situation war bereits vor der Pandemie schlecht. Dank dieser kamen zu den existierenden Problemen allerdings noch weitere hinzu, egal ob diese finanzieller, physischer oder psychischer Natur sind. Dass die Geduld der Beschäftigten am Ende ist, zeigt sich auch daran, dass trotz des kalten Wetters sowie darüber hinaus der Gefahr durch Corona deutlich über hundert Menschen demonstrierten und damit eine kräftige Kundgebung bildeten.
Die Entwicklung, dass die Arbeiterklasse die Bühne betritt und klassenkämpferisch auftritt, ist dabei keinesfalls eine regionale Erscheinung. Egal, ob der sogenannte „Striketober“ in den USA, die anhaltende Streikwelle im Iran, der erfolgreiche Arbeitskampf bei Tubacex im Baskenland, oder die entschlossen geführten wilden Streiks der Arbeiter bei Gorillas in Berlin: Die Zeit der Sozialpartnerschaft und des untätigen Zuschauens, während die Kapitalisten ihren Willen durchsetzen können, nährt sich ihrem Ende. Auch in Jena war spürbar, dass man selbst vor einer langwierigen und intensiven Konfrontation nicht zurückschrecken würde. Mit Mindestforderungen und halbgaren Zugeständnissen wollte sich hier niemand zufriedengeben.
Am 29. November haben die Gewerkschaften und die TdL einen schlechten Abschluss erzielt, der bundesweit für Entrüstung und Kritik von Kolleginnen und Kollegen des öffentlichen Dienstes sorgt. Unsere Position zum Abschluss findest du hier: TV-L Abschluss: Ablehnen und bundesweiten Erzwingungsstreik organisieren!
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