Kategorie: Kapital und Arbeit |
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Krankenhausbewegung Gießen Marburg: Privatisierung und Ausgliederung rückgängig machen! |
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Die Missstände am „Uniklinikum Gießen Marburg“ (UKGM) sind erdrückend. Dafür sind mehr als 3.000 Beschäftigte des Klinikums mit solidarischen Unterstützern am 31. März auf die Straße gegangen. Ihre Forderung: ein Tarifvertrag Entlastung. Wir als Der Funke Marburg waren Teil der Demonstration und zeigten unsere Solidarität mit der Bewegung. Wir sprachen mit Beschäftigten auf der Demonstration und führten Interviews mit ihnen, um ihre Perspektive einzufangen. |
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Das UKGM ist die einzige Universitätsklinik in Deutschland, die sich in privater Hand befindet. Die Privatisierung erfolgte im Jahr 2006. Bei einem Bietverfahren ging die „Rhön Klinikum AG“ als Käufer hervor, sie kaufte das Uniklinikum zum „Spottpreis“ von 112 Millionen €. Diesem Konzern gehören deutschlandweit 54 Kliniken. Der Verkauf wurde im hessischen Landtag mit den Stimmen von FDP und CDU entschieden. Mittlerweile besteht eine Kooperation mit dem Konzern Asklepios. (Hier geht´s zu einem ausführlichen Bericht über die Hintergründe.) Aufgrund der Missstände am Uniklinikum rief ver.di nun zum Streik auf und es wurde eine große Demonstration organisiert. Beschäftigte zu den MissständenInsgesamt zeigte sich die Stimmung auf der Demonstration sehr kämpferisch – sowohl in Redebeiträgen als auch in einem lauten Demozug. Es war die größte Demonstration in Marburg seit langem. Erkennbar war auch, dass viele Teilnehmer ihre ersten Erfahrungen mit Demonstrationen sammelten. Ein wichtiges Anliegen unsererseits war es, die kollektive Perspektive der Beschäftigten und Demonstrationsteilnehmer auf die Missstände einzufangen. Nach diesen befragt, gab eine Kinderkrankenschwester an, dass sie die Kinder nicht mehr so versorgen könne, wie es ihnen eigentlich gebühre. Sie könne diese Situation mittlerweile nicht mehr mit ihrem Gewissen vereinbaren und habe eine Depression aufgrund dessen entwickelt. Mittlerweile gehe es ihr besser, sie habe aber für sich beschlossen, nicht mehr im Schichtdienst arbeiten zu können. Auffällig dabei: der moralische Druck der Bosse zeigt Wirkung. Sie gab nämlich an, dass ihr Austritt aus dem Schichtdienst natürlich auch nicht hilfreich sei, weil wieder eine erfahrene Person gehe. Das ist aber nur die schlimme Folge des Kaputtsparens und Profitierens von Rhön-AG und Asklepios. Diese Ursache wird von den Beschäftigten auch klar benannt: „Das Problem ist, dass das Uniklinikum privat ist und alles nur um die Aktien geht. Es geht nicht darum, den Menschen zu helfen, sondern um Profite und Geld. Sobald eine Person in der Notaufnahme ist, gibt es Geld, egal ob sie zwei Tage im Flur schläft oder stirbt.“, erzählen zwei Pflege-Azubis. Ein anderer Beschäftigter sagt, sie seien angehalten, eine gute Kombination aus teuren Preisschildern für bestimmte Erkrankungen bei zugleich hohen Fallzahlen zu erzielen. Er fordere aktiv eine Rücküberführung des UKGM in öffentliche Hand und werde immer weiter dafür kämpfen. Er kenne nämlich nicht nur die Sicht der Beschäftigten, sondern auch die studentische, weil er neben seiner Arbeit auch noch am UKGM Medizin studiere. Für gute Lehre sei keine Zeit. Zusätzlich seien die Beschäftigten ausgebrannt und kaum in der Lage, ihr Wissen weiterzugeben. Er könne auch die Hälfte seiner erlernten Kompetenzen aus seiner Pflegerausbildung nicht anwenden, weil im Alltag keine geplante Pflege im Sinne der Patienten möglich sei, er müsse einfach „von Feuer zu Feuer rennen“. Auch eine weitere examinierte Krankenschwester sagt: „Es ist kein patientenwürdiges Arbeiten mehr“. Die Arbeitsdichte sei deutlich zu hoch – zu viele Operationen, zu viele Patienten, zu kurze Aufenthaltsdauern der Patienten. Ihre Forderung sei, dass die Beschäftigten der Stationen selbst planen, wie viele Kräfte gebraucht werden im Hinblick auf den pflegerischen Aufwand. Außerdem brauche es einen Hintergrunddienst, um Ausfälle auszugleichen. Streikbereitschaft ist hochDie Stimmung auf der Demonstration war sehr kämpferisch. Die einhellige Meinung war: „Wir streiken weiter!“. Trotz widriger Umstände – es regnete sehr stark an diesem Tag – kamen sehr viele Menschen auf die Straße. Mit der Bewegung solidarisieren sich auch viele Außenstehende und nahmen an der Demonstration teil. Eine interviewte Frau sagte, dass sie zeigen wolle, dass hinter der Bewegung die ganze Bevölkerung stehe, nicht nur die Beschäftigten. Es könne nicht angehen, dass man Glück brauche, wenn man erkrankt sei, dass sei dann „wieder Darwinismus“. Die Anstrengungen in den letzten Jahren in zahlreichen Gesprächen zwischen der Krankenhausleitung und dem Betriebsrat hätten gar nichts gebracht. Streik sei daher ein Muss. Für uns zeichnete sich außerdem ein Bild des hohen Vertrauens der Streikenden und Demoteilnehmer in ver.di. Ein Pflegepädagoge, der selbst ver.di-Mitglied ist, berichtete, dass die Gewerkschaft in den Tagen vor der Demo hunderte Mitglieder gewonnen habe, mittlerweile sei über die Hälfte der Beschäftigten am UKGM bei ver.di organisiert. Diese Macht sei mittlerweile so groß, dass Asklepios sie nicht mehr ausblenden könne. Eine Pflegeausbilderin gab an, dass ver.di die Arbeit gut mache. In diesen Äußerungen wird klar, dass die Beschäftigten am UKGM verstehen, dass sie selbst Druckmittel in der Hand haben. Sie können mit Streiks die Profite der Kapitalisten angreifen. Diese Erkenntnis ist wichtig, denn „die andere Seite, die Arbeitgeber, die haben genug Lobby“, wie eine Demonstrantin sich ausdrückt. Auch der bereits erwähnte Pflegepädagoge begrüßt diese Entwicklung: „Es wird von der Pflege verlangt, dass sie sich unterwirft und einfach Anweisungen befolgt, deswegen ist es so toll, dass so viele Menschen auf die Straße gehen.“. Hierbei kritisiert er auch klar die Vorwürfe der Klinikleitung, dass der Streik eine Gefährdung und unmoralisch sei: „Die wahre Gefährdung ist das, was im Alltag passiert“. Wir können ihm nur zustimmen! Den Kampf vorantreibenDie hohe Streikbereitschaft der Beschäftigten war am Tag der Demonstration sehr präsent. Sowohl in den Redebeiträgen als auch in den Einzelgesprächen mit uns äußerten sich viele, dass sie weiterkämpfen wollen. Die Forderungen der Bewegung sind vielfältig: so wird angelehnt an die inspirierende Berliner Krankenhausbewegung ein „Tarifvertrag Entlastung“ gefordert, aber auch die Rücküberführung der Uniklinik in öffentliche Hand wird als Forderung erhoben. Die Parolen, die besonders hervorstach „TV-E“. Der Ausgangspunkt für die Bewegung ist der Kampf gegen die schlechten Arbeitsbedingungen. Doch die Diskussion darüber, das UKGM wieder in öffentliche Hand zurückzuholen, um die Missstände am Uniklinikum zu beseitigen, wird schon geführt. Ein erfolgreicher Kampf für die Verstaatlichung des UKGM sowie die Rückholung der ausgegliederten Bereiche wäre ein klares Signal gegen die Spar- und Privatisierungspolitik – für eine medizinische Versorgung im Interesse der Allgemeinheit statt des Profits. Die hohe Streikbereitschaft der Beschäftigten war sehr präsent. Sowohl in den Redebeiträgen als auch in den Einzelgesprächen mit uns äußerten sich viele, dass sie weiterkämpfen wollen. Jetzt liegt es an der ver.di-Führung, diesen Kampf mit einer klaren Strategie voranzutreiben, die Beschäftigten des UKGM in die Planung voll einzubinden und ihnen die demokratische Kontrolle über den Kampf zu geben. Damit der Kampf erfolgreich geführt werden kann, brauchen wir an jedem entscheidenden Schritt eine offene demokratische Diskussion in Betriebsversammlungen, sowie bindende Abstimmungen durch die Beschäftigten über die nächsten Schritte. Das betrifft sowohl die Dauer und Form der Arbeitskampfmethoden als auch die Angebote der Bosse sowie von ver.di. Aktuell wurde der Streik bis zur Woche nach Ostern verlängert, solange keine Einigung in den Verhandlungen erwirkt wird. Volle Solidarität mit den Streikenden des UKGM, für einen erfolgreichen Kampf!
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