Es ist eine bekannte marxistische Erkenntnis: Auf die Wirtschaftskrise folgt die Ideologiekrise. Zeitversetzt mit dem konjunkturellen Abschwung füllen sich die Alkohol- und Drogenentzugskliniken und Psychiatrien, die Wartezeiten in den psychologischen Praxen und Erziehungsberatungsstellen werden immer länger. Das Ganze wird begleitet von einem steigenden Konsum an Psychopharmaka.
Es war wie ein Erdbeben mit weit reichenden Auswirkungen. Mit der deutlichen Mehrheit von 24 zu 14 Stimmen nominierte der SPD-Parteivorstand am Montag die Sprecherin der Parteilinken, Andrea Nahles, für die Funktion einer Generalsekretärin. Parteichef Franz Müntefering erklärte nach der Abstimmungsniederlage für seinen Personalvorschlag, den bisherigen Bundesgeschäftsführer Kajo Wasserhövel, seinen Rücktritt vom Vorsitz und ließ es offen, ob er überhaupt - wie mit der CDU/CSU vereinbart - als Vizekanzler und Arbeitsminister in eine Große Koalition unter Angela Merkel eintreten werde.
Es ist in aller Munde, aber kaum jemand kennt es. Von den Delegierten einer eilig einberufenen SPD-Bundeskonferenz Mitte August wurde es - damals als Hoffnungsanker und Strohhalm - gutgeheißen. Wetten, dass kaum ein Dutzend unter den Delegierten das Papier, über das sie da abgestimmt haben, ausreichend kannte?
Gabi und Manfred Evers, Sonja Ryll, Hans-Gerd Öfinger
Überall bewegt sich etwas gegen den Krieg, 10 Millionen Menschen gingen weltweit am 15. Februar auf die Strasse. Auch in Deutschland gab es gigantische Proteste. 500.000 kamen nach Berlin - fünf mal soviel wie erwartet.
Die Spitzen der Unternehmerverbände, die Bankiers und Großindustriellen haben wieder einmal ihr Ziel wieder verfehlt. Sie haben nicht die Regierung, die sie wollten. Sie strebten eine klare Mehrheit für eine Regierung aus CDU/CSU und FDP. Zum dritten Mal in Folge – 1998, 2002 und 2005 – gibt es keine Mehrheit für die klassischen bürgerlichen Parteien. Demgegenüber hatten CDU/CSU und FDP fast 50 Jahre lang bei Bundestagswahlen immer eine klare Mehrheit – auch zwischen 1969 und 1982, als SPD und FDP zusammen die Regierung bildeten.
Schwarz-Gelb konnte gestoppt werden. SPD und CDU/CSU feiern sich als Sieger und sind die großen Verlierer der Wahl. Wie nachhaltig ist der Zustrom zur SPD? Welche Chance ergibt sich jetzt für die Linkspartei? Die Angriffe des Kapitals gehen weiter. Wie könnte sich eine "Mehrheit gegen neoliberale Politik" gegen den Druck der Wirtschaftsverbände durchsetzen? Was erwarten wir von einer wirklich linken Regierung?
Es ist in den letzten Tagen viel darüber geschrieben worden, ob Frau Merkel nun die Richtlinien der Regierungspolitik ganz bestimmt, im großen und ganzen oder wegen Müntefering/Stoiber nur eingeschränkt. Relativ schnell dürfte klar geworden sein: Weder - noch. Der Präsident der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände, Dieter Hundt, hat vorgegeben, wie –bitteschön- die künftige Regierungspolitik auszusehen hat.
In einer vom Bundeswirtschaftsministerium aktuell herausgegebenen Broschüre zum (angeblichen) Leistungsmissbrach beim ALG II wird mit spektakulären „Beispielen“ massive Hetze und Verunglimpfung von Arbeitslosen betrieben. Angeblich sei die Hemmschwelle für den Leistungsmissbrauch durch die Einführung der neuen Grundsicherung gesunken.
Mit der Verteilung der Posten hatten es die künftigen Koalitionspartner eilig. Das Programm der neuen Regierung soll erst in den nächsten Wochen erarbeitet werden. Doch es gehört wenig Phantasie dazu, um zu ahnen, was in den nächsten Jahren auf uns zu kommt. Wir müssen uns auf neue Angriffe und Privatisierungsorgien gefasst machen.
Dass mit dem Auslaufmodell Gerhard Schröder keine Wahl mehr zu gewinnen ist und nach seinem Abgang eine neue Ära für eine arg gebeutelte Sozialdemokratie beginnt, dass wissen in diesen Tagen so gut wie alle maßgeblichen SPD-Funktionäre. Viele stellen sich in ihrer Karriereplanung bereits auf die Nach-Schröder-Ära ein und fordern einzelne "Nachbesserungen" an Hartz IV. "In der Partei herrscht extreme Unzufriedenheit"; äußert auch ein Insider auf jW-Nachfrage. Doch zum offenen Aufstand der Parteibasis gegen den Kanzler, seine Linie und seine allgemein als "grob fahrlässig" angesehenen Neuwahlpläne fehlt den auf Loyalität getrimmten Parteisoldaten der Mut.